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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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die sie jagten, unter Beweis zu stellen. Bei dieser Gelegenheit hat sie gelernt, welche Kraft ihr die Natur mitgegeben hat, daß sie sich immer wieder bis über den Punkt totaler Erschöpfung hinaus verausgaben und die Jagd trotzdem fortsetzen kann.
    Jetzt pflügt sie durch eine zwei Meter hohe Schneewehe und erreicht plötzlich die Stelle, wo der schneebedeckte Weg durch den Wald auf einen schmalen Streifen Asphalt trifft, der Straße nach Nirgendwo genannt wird.
     
    Die Ortsansässigen haben der Straße diesen Namen gegeben, aber Tikki weiß, daß jede Straße irgendwohin führt, und sie hat genug gesehen und gewittert und gehört, um zu wissen, was los ist. Im Sommer führt die Straße nach Nirgendwo direkt zur Grenze zwischen den Vereinigten Kanadischen und Amerikanischen Staaten und der Republik Québec. Die Leute, die diese Straße mit allen möglichen bewaffneten und gepanzerten Wagen befahren, transportieren Cyberware, Chips und SimSinn-Ausrüstungen nach Québec. Diese Dinge werden dort sehr hoch besteuert, so hoch, daß der Schmuggel ein lukratives Geschäft ist. In der Nacht, wenn alles ruhig ist, die Öfen vor Hitze glühen und der Geruch von Schnaps in der Luft liegt, hat sie Zweibeiner von den Vermögen prahlen hören, die es auf der Straße nach Nirgendwo zu verdienen gibt.
    Zwei Kilometer weiter steht die letzte Zwischenstation auf der Straße: ein klappriges Holzhaus, das früher einmal eine Scheune oder vielleicht sogar ein Wohnhaus war, jetzt aber inmitten der Bäume und des Schnees als Tränke, als Oase dient.
    Ein Hund fängt an zu bellen, als Tikki sich nähert, aber sie weiß, daß der Hund an einen kleinen Anbau am rückwärtigen Ende der Kneipe angekettet ist und keine Gefahr bedeutet. Sie stößt ein leises warnendes Grollen aus, und das Tier verstummt abrupt und verströmt einen Geruch nach Angst.
    Zwischen der Taverne und der vereisten Straße wartet eine ganze Reihe von Fahrzeugen, ein Sikorsky-Bell Red Ranger, klein, schnell und schwerbewaffnet, ein Chrysler-Nissan G12A und andere, Lieferwagen, Pickups, alle mit speziellen, nicht serienmäßigen Fahrgestellen und übergroßen Reifen. In dieser Reihe steht auch ein klobiges Mostrans KVP-14T Luftkissenfahrzeug. Es hat eine Geschützluke auf dem Dach der Fahrerkabine. Tikki schleicht durch die Schatten zum Fahr zeug und schnüffelt an der Laderaumtür. Zuerst ist sie nicht sicher, was sie riecht, aber dann verändert sich etwas in der Luft, und sie schnappt die Witterung ihres Jungen auf. Der Geruch kommt aus dem Innern des Luftkissenfahrzeugs, dessen ist sie gewiß. Aber er ist alt. Ihr Junges war hier, aber jetzt ist es verschwunden. Wohin verschwunden? Sie sieht sich um und wittert, dann wartet sie.
    Dunklere Wolken ballen sich am Himmel zusammen. In der Feme blitzt es. Die Tavernentür fliegt knarrend auf und knallt wieder zu. Ein Mann nähert sich, ein Mensch, der Kleidung aus Naturfasern und seltsame Schmuckstücke trägt und nach Alkohol riecht. An seinem Gürtel hängen ein großes Jagdmesser und eine abgesägte Schrotflinte und schlagen beim Gehen gegen seine Hüfte. Er rutscht auf dem hartgefrorenen und festgestampften Schnee vor der Taverne aus und stolpert betrunken. Er öffnet die Tür des Mostrans. Tikki tritt hinter dem Heck des Fahrzeugs hervor.
    »Hoi.«
    Der Mann zuckt zusammen, als sei er erschrocken, grunzt etwas und dreht sich dann zu ihr um. Sie hat jetzt ihre menschliche Gestalt angenommen, und sie ist nackt. Sie tritt näher. Ein schwacher Film aus geschmolzenem Eis glänzt auf ihrer Haut. Der Mann starrt sie an, dann lächelt er. Er sagt etwas in einer unbekannten Sprache, dann wechselt er auf Englisch mit einem merkwürdigen Akzent. »Woher kommst du?«
    »Ich suche nach Freunden.«
    »Hier bin ich.«
    Tikki schüttelt den Kopf. »Elfen.«
    »Wir brauchen keine verdammten Elfen.«
    Der Plan funktioniert nicht, wird Tikki klar, und das ist ziemlich ärgerlich. Das hat sie davon, daß sie es mit Raffinesse versucht hat. In praktisch jedem Actionvideo, das sie bisher gesehen hat, funktioniert es: Die Frau bietet ihren Körper an, der Mann gibt der Frau alles, was sie will. Aber dieser dämliche, verdammte Zweibeiner-Mann sieht sie nackt und denkt nur an Sex - gleich hier und gleich jetzt. Sie kann es riechen. Und ihre Zeit ist zu knapp, um das Spiel weiterzutreiben.
    Sie wirft sich auf ihn, wobei sie ihre Hände wie Keulen benutzt, die sie ihm ins Gesicht und über den Kopf schlägt, nur daß ihre Hände mächtige

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