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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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dem Schluss, dass sich jede unbedachte Tat zu
meinem Schaden auswirken konnte.
    Ich hatte seit gut fünf Minuten die verdammte Pistole
angestarrt, als der erste Anruf kam. Als ich abnahm, hörte ich
nur ein Klicken, dann ein langes Schweigen, das aus großer
Ferne zu kommen schien. Eine von diesen Firmen, vermutete ich, die
per Computer hundert Leute zugleich anwählen, aber nur zehn oder
fünfzehn davon tatsächlich kontaktieren.
    Der zweite Anruf kam von Janie. Eine Wolke schien über das
Haus zu ziehen, es wurde dunkler. Sie fragte mich, wie es mir
gehe.
    »Nicht so gut«, erwiderte ich und begann zu weinen, als
ich ihre Stimme hörte. Ich vermisste sie so sehr und fühlte
mich so unendlich und niederschmetternd nutzlos,
überflüssig wie eine weggeworfene Puppe.
    Nach und nach drangen Janies Worte in mein Hirn.
    •
    Ich pinkelte in den Seitenhof und döste danach im Sessel. Die
luftigen Brisen vom Meer kamen und gingen. Dann tauchten die Sterne
auf. Die Luft im Canyon war reglos. Ich hörte die Eule im Garten
hinter dem Haus, konnte sie aber nicht sehen. Schließlich
schleppte ich die aufgeschlitzte Doppelbett-Matratze nach
draußen, zerrte sie bis ins hohe Gras, breitete ein Betttuch
darüber und legte mich hin.
    Am nächsten Morgen setzte ich mich wieder auf die vordere
Veranda, diesmal mit einem Bier in der einen und der umwickelten
Smith & Wesson in der anderen Hand. Ich trug mich mit dem
Gedanken, aus diesem beschissenen alten Hotel, das sich Leben nannte,
auszuchecken. So schnell wie der Blitz aus einer Pistolenmündung
konnte ich bei Janie sein.
    Ich dachte nicht an Rob Cousins, bis er um acht in Begleitung
eines anderen Mannes auftauchte. Ich erkannte Banning von den
Umschlagfotos seiner Bücher wieder, auf denen er immer auf eine
geckenhafte Weise gut ausgesehen hatte. Sie warfen lange Schatten,
als sie die Einfahrt heraufkamen.
    »Mit Ihnen alles in Ordnung, Ben?«, erkundigte sich
Cousins.
    Banning stieg über einen Streifen gelbes Absperrband hinweg
und winkte mir zu, wie ein Professor im Urlaub.
    Als ich die beiden sah, war mein erster Gedanke, dass Cousins mich
genau wie mein richtiger Sohn im Stich gelassen hatte. Ich merkte,
wie Zorn in mir aufwallte. »Sie verdammter Mistkerl«,
knurrte ich. »Sie haben mich reingelegt. Wo waren Sie, als die
mich verhaftet haben?«
    »Ich glaube, man hat sie markiert«, erklärte
Banning mit einem gezierten britischen Akzent. Er kam keinen Schritt
näher.
    »Haben Sie was zu essen mitgebracht?«, fragte ich.
»Oder war das alles nur eine abgekartete Sache, damit Sie
’ne Tüte Koks bei mir deponieren konnten?«
    Cousins redete mit mir, als sei ich ein Kind. »Haben die Koks
bei Ihnen gefunden?«, fragte er.
    »Wäre ich dann hier?« Ich spielte mit der Pistole,
zielte über den Lauf und schwenkte ihn in ihre ungefähre
Richtung, um ihnen zu zeigen, wie tüchtig ich sein konnte.
»Nein«, erwiderte ich. »Aber nicht, weil sie es nicht
versucht hätten.«
    »Was für ein Chaos«, bemerkte Cousins. »Sie
müssen verdammt sauer sein.«
    »Ich bin hart im Nehmen.«
    »Wir sollten von hier verschwinden«, sagte Banning.
    »Wieso sollte ich mit ein paar durchgeknallten Irren
irgendwohin gehen wollen?«
    »Wer hat Sie angerufen?«, fragte Cousins mit einer vor
Vernunft und Nachsicht triefenden Stimme.
    Ich richtete die Pistole direkt auf ihn. Janie hatte eine Menge
erklärt – wie ich reingelegt worden sei; dass ich zu alt
sei, um Achtung erwarten zu können. Sie wolle ja gern
zurückkommen und mir helfen, mein Leben wieder auf die Reihe zu
bringen, aber Cousins lasse es nicht zu. Und Banning stecke
wahrscheinlich mit ihm unter einer Decke.
    Cousins stand so nah vor mir, dass ich ihm ein faustgroßes
Loch in die Brust hätte ballern können. Er schwitzte wie
ein angestochenes Schwein. »Ich werde jetzt etwas
Merkwürdiges tun«, kündigte er an. »Ich lese
Ihnen ein paar Zahlen vor und frage sie dann, ob Sie sich diese
Zahlen merken konnten.« Er zog einen schmalen Papierstreifen
hervor, der wie ein Kassenzettel aus dem Supermarkt aussah.
    »Warum?«, fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, wie der
Abzug der Smith & Wesson gesichert war. Vielleicht ging sie bei
der geringsten Berührung los. Ich rückte den Lauf der Waffe
ein Stück zur Seite und drückte probehalber ab. Der Schuss
schlug Banning wie ein aufgeschrecktes Kaninchen in die Flucht.
    Kurzer, leichter Abzug, aber nicht hoch empfindlich.
    Cousins zuckte zusammen, blieb aber stehen. »Sieben,
fünf, zwei, vier«,

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