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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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aufschwang, rollte auf der Straße vor uns ein
mit Eisenstacheln bewehrter Nagelgurt in seine stählerne
Hülle zurück.
    »Alles klar«, sagte Cousins seufzend.
    Banning chauffierte den alten, zerbeulten Plymouth die lange
Auffahrt hinauf, vorbei an einem elektrischen Viehzaun, der auf
beiden Seiten mit großen grünen Trafokästen
ausgestattet war, vorbei an Videokameras, die auf hohen Stahlpfosten
montiert waren, quer durch ein von Stacheldraht umgebenes
Niemandsland. Und er steuerte den Wagen so, als chauffiere er eine
Limousine mit Staatsoberhäuptern an Bord.
    •
    Ein rundlicher, fröhlich wirkender Mann erwartete uns unter
dem tiefen Vordach der vorderen Veranda, die spanischen Landhausstil
verriet. Cousins stellte mir Joseph Marquez, unseren Gastgeber, vor.
Er trug eine seidene Pyjamahose, die sich über einem prallen
Spitzbauch spannte, hatte eine dicht behaarte Brust und ähnlich
behaarte Arme, einen wallenden Guru-Bart und langes, krauses,
pechschwarzes Haar, das eine kleine, bestickte jüdische
Gebetsmütze krönte. Er sah aus wie der Musiker Jerry Garcia
von den Grateful Dead. Seine Augen waren klein, hellbraun und
gewieft; er hatte einen ausdrucksvollen Mund und perfekte
Zähne.
    Marquez umkreiste mich argwöhnisch. »Haben Sie ihn
gefilzt?«
    »Er ist sauber«, erwiderte Cousins. Marquez runzelte die
Stirn und wiederholte meinen Namen mehrmals, jede Silbe
überdeutlich betonend, bis ich ihm am liebsten mit einer
schroffen Bemerkung über den Mund gefahren wäre.
Schließlich streckte er die Arme hoch, wie ein Priester, der
seine tägliche Offenbarung empfängt.
    »Verdammt, ich kenne Sie. Ich habe Ihre Bücher gelesen. Das Massengrab, stimmt’s? Scheiße, ein
Veteran! Der letzte Mann der Einheit. Sprengstoffanschläge
hinter den feindlichen Linien, verdammt! Kambodscha? Spezielle
Einsatztruppe?«
    Ich blickte mich mit neu erwachendem Angstgefühl in dem
Zimmer um.
    »Willkommen im inneren Heiligtum! Hier ist jeder sicher.
Tammy bereitet ein Festessen vor.«
    Marquez war Regisseur und Produzent, hatte aber seit fünfzehn
Jahren keinen Film mehr gedreht. Allerdings hatte er klug investiert.
Sein wunderschönes Haus nahm mitsamt Grundstück rund
zwölftausend Quadratmeter eines eingeebneten Bergkamms oberhalb
von Mulholland ein und bot einen herrlichen Blick über den
Laurel Canyon.
    Ich bekam ziemlich schnell mit, dass Marquez Cousins Geld gegeben
und ihm erlaubt hatte, im Keller ein Labor einzurichten. Aber es war
noch etwas anderes im Spiel. Ein Haar in der Suppe, sozusagen.
    Tammy kam uns im Foyer, das von rohen Kalksteinwänden
eingefasst war, entgegen. Sie war noch jung, ein Teenager oder
allenfalls Anfang zwanzig. Sie hatte schokoladenbraune Haut, eine
hohe Stirn, nach hinten gerafftes, tizianrotes Haar, breite
Hüften, den Ansatz eines kleinen Bäuchleins und üppige
Brüste. So etwas wie sie hatte ich außerhalb des Playboy noch nie gesehen. Sie trug eine seidene Pyjamahose und
ein Bikinitop, das nada verbarg. Sie umarmte uns alle mit
kindlicher Unschuld und fragte, ob wir lieber wilden Reis oder
indischen Langkornreis wollten.
    »Es gibt ein Curry«, erklärte sie und schenkte
Cousins ein Lächeln. »Joe liebt Curry.«
    »Tötet die Bakterien ab«, sagte Marquez und grinste
dabei wie ein kleiner Junge.
    Ihm gefiel der Ausdruck, mit dem ich Tammy hinterherstarrte, als
sie davonschwebte.
    »Derzeit habe ich zwar keine Filme in Planung«, bemerkte
er laut, »aber in diesem umwerfenden Brutkasten steckt
ein Sohn und Erbe.«
    »Lass das«, rief Tammy über die Schulter
zurück.
    »Sie ist halb Französin, halb Brasilianerin. Ich bin
halb Ire, halb Spanier, ein Marrano. Wow! Anderthalb Monate
sind es jetzt. Wie wär’s mit einem Rundgang?«
    »Vielleicht möchten sie sich zuerst ein bisschen frisch
machen«, rief Tammy aus dem übernächsten Zimmer.
    »Das wäre super«, sagte Cousins.
    •
    In einer marmorgefliesten Dusche, die größer war als
mein ganzes Badezimmer in El Cajon, wusch ich mir den Schmutz von der
Fahrt vom Leib. Zwei Reihen verstellbarer Düsen spritzten los,
als ich das Wasser aufdrehte. Die stechend heißen Wassernadeln
bereiteten mir einen so angenehmen Schmerz, dass ich laut
aufstöhnen musste. Ich hätte tagelang da drin bleiben
können.
    Als ich das Wasser abdrehte, hörte ich ein Klopfen an der
Badezimmertür. Cousins warf mir eine kleine Plastikflasche mit
rosafarbenem Inhalt über den Rand der von dichtem Dampf
erfüllten Glaskabine. Mit glitschigen Händen hob ich

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