Jäger
las er von dem Zettel ab.
»Ja«, murmelte ich. »Und jetzt drehe die
Wählscheibe auf dem guten alten Kombischloss genau zweimal herum
und dann auf…« Ich hörte auf, vor mich hin zu
brabbeln. Seine Zahlen ergaben einen Sinn. Sie waren absolut
vernünftig. »Okay.« Ich hörte zu.
»Wiederholen Sie die Zahlen.«
»Sieben, fünf, zwei, vier.«
»Drei, sieben, acht, eins. Wiederholen Sie das.«
»Drei, sieben, acht, eins.«
»Und die letzten Zahlen, versprochen. Zwei, sechs,
neun, acht.«
»Zwei, sechs, neun, acht.«
»Lieber alter Ben, ich habe Neues zum guten Schluss«,
sagte Rob. »Wie wär’s mit ’nem Besuch bei Dr.
Seuss?«
Ich duckte mich vor einem grünen Blitz, der direkt über
meinen Kopf hinwegzuzischen schien.
»Wie fühlen Sie sich jetzt?«
»Ganz gut«, erwiderte ich und ließ die Pistole
sinken.
»Was für eine Farbe haben Sie gesehen?«
»Grün.« Ich schnupperte in die Luft.
»Großer Gott«, ächzte ich. »Wer hat den
Käse angeschnitten?« Ich versuchte, den Gestank genauer zu
definieren. Verwesende Leichen, faulende Vegetation – wie ein
mehrere Tage altes Schlachtfeld auf dem Lande.
Banning kam mit kurzen, trippelnden Schritten die Einfahrt, die er
hinabgerannt war, wieder zurück. Er rümpfte die Nase.
»Die haben Sie voll erwischt«, sagte er.
»Wer?«
Ich fühlte mich gelassen, aber sehr traurig. Der Anruf von
Janie war nur ein Traum gewesen. Als ich zu weinen anfing, legte
Cousins mir den Arm um die Schulter. Er nahm mir die Pistole aus der
Hand und reichte sie Banning, der sie mit zwei Fingern von sich weg
hielt, als sei sie eine tote Ratte.
»So ist es besser«, sagte Cousins. »Und jetzt
sollten wir packen und Sie sofort von hier wegbringen. Hier ist es
nicht sicher.«
»Was geht hier eigentlich vor?«, fragte ich. Mir lief
die Nase und von meinem Kinn tropfte Schweiß und
durchnässte mein Hemd. Mein Magen und meine Gedärme
revoltierten. »Großer Gott, ich muss sofort
duschen.«
»Dazu ist jetzt wirklich keine Zeit«, erklärte
Banning.
Wir kramten in dem Chaos herum und packten für mich eine
Reisetasche mit Klamotten. Ich raffte ein paar Fotos zusammen, schob
sie in eine Supermarkttüte und stapelte meine
Lieblingsbücher in einen Karton. Banning holte aus der Garage
einen Vorschlaghammer und schlug die Smith & Wesson in
Stücke. Wir wollten nicht mit einer von der Polizei
untergejubelten Waffe erwischt werden, die wahrscheinlich gestohlen
und nicht registriert war.
Dann ließen wir das Haus, den Geist Janies, Erinnerungen an
zwanzig Jahre und mein ganzes verdammtes Leben hinter uns
zurück. Ich bin nie dorthin zurückgekehrt.
Kapitel 29
San Diego/Los Angeles
»Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie
bestätigt haben, dass ich ein ehrlicher Mann bin«, sagte
Banning. Cousins saß auf dem Beifahrersitz und ich zwischen
meinen Kartons auf dem Rücksitz von Bannings verbeultem
Plymouth. Der Kofferraum war nur mit einem Stück Draht
verschlossen, und Banning fürchtete, er könne
aufspringen.
»Ich habe nichts dergleichen geäußert«,
erklärte ich.
Wir kamen im zähflüssigen Pendlerverkehr auf der 5
Richtung Norden nur langsam voran. Es bestand außerdem das
Risiko, dass man uns am Kontrollpunkt San Onofre herauswinken
würde. Aber wir mussten nach Los Angeles, um einige Leute zu
treffen, die Cousins dort kannte, und es gibt keinen schnellen Weg um la Migra herum. Wir waren alle Weiße und ich stand nicht
mehr unter Verdacht, also riskierten wir es.
Sie winkten uns am Kontrollpunkt tatsächlich heraus,
durchsuchten den Wagen und musterten uns gründlich. Wir waren
Flüchtlinge, die vor irgendetwas oder irgendjemandem davonliefen
– das konnten sie uns an den Augen ablesen. Aber da Cousins
freundlich mit ihnen redete und sie nichts gegen uns in der Hand
hatten, ließen sie uns schließlich ziehen.
Ich hasse die Bullen.
Auf der Fahrt nach Los Angeles schlief ich die meiste Zeit. Wir
waren bereits tief im Laurel Canyon, als ich aufwachte. Banning
steuerte auf einer gewundenen Privatstraße einen Hügel
hinauf. So spät am Nachmittag lagen die bewaldeten Täler
bereits im Schatten. Wachteln schossen hinter uns über den
aufgesprungenen Asphalt. Die Luft roch süß und schwer nach
Eukalyptus und Salbei.
Schließlich hielt Banning vor einem massiven Stahltor.
Cousins stieg aus und sprach ein paar Worte in einen Kasten, der an
einem hohen, geschwungenen Pfosten hing.
»Das Haus, in dem wir sicher sind«, erklärte
Cousins, als er
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