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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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diesem
Stück Holz herum. Das letzte Wort war Chopper. Er wollte
fliehen, aber ich versperrte ihm den Weg. Er schrie immer wieder, ich
müsse mich erinnern, wer ich sei und was wir ursprünglich
vorgehabt hätten, dann könnten wir entkommen. Wir haben
noch so viel Leben vor uns und es gibt noch so viel zu sehen, schrie er. Aber ich konnte nicht aufhören.«
    Piecework, Regulus, Chopper. Ich kannte zwei der Begriffe. Piecework war der international gebräuchliche Ausdruck
für ein gewöhnliches bakterielles Gen, das die Bildung von
Adhäsionsstoffen regelt. Die Hersteller von Zahnpasta waren
daran interessiert, weil es das Andocken von Streptokokken und
Strahlenpilzen im Mund unterbindet und die Bildung von Plaque
vermindert. Regulus ist ein menschliches Gen aus dem Zellkern,
das Funktionen der Mitochondrien koordiniert. Wenn man mit Regulus herumpfuscht, läuft man Gefahr, sich Parkinson einzuhandeln.
Deshalb hatte ich vermieden, Regulus anzutasten, obwohl es ein
eindeutiger Kandidat für meine Arbeit war. Unsere Arbeit.
Chopper war auf jeden Fall kein Gen. Ich konnte auf Anhieb nicht
sagen, wo ich den Begriff schon einmal gehört hatte.
    Ich vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Rob hielt es nicht mehr aus«, fuhr Ben fort. »Er
stürmte auf mich zu und ich erschoss ihn. Dann warf ich die
Pistole weg und rannte aus der Gasse. Stuart und Norton waren
verschwunden. Ich war ganz allein auf der Straße. Es war vier
Uhr morgens.«
    Ben stieß die letzten Worte schnell und mit brennenden
Wangen hervor.
    Wir bogen in eine Tankstelle. Ich beugte mich aus dem Wagen,
überlegte, ob ich mich übergeben sollte, entschied jedoch,
dass es nicht unbedingt nötig sei, und stieg aus. »Ich muss
mal kurz verschwinden«, sagte ich zum sechsten oder siebten Mal.
Das milchige Elixier wirkte nach wie vor sehr stark.
    Banning tankte und bezahlte. Ich ließ mir von dem jungen
Mann an der Kasse den Schlüssel geben, spurtete zur Toilette und
beugte mich über das verdreckte Waschbecken. Obwohl mir
entsetzlich schlecht war, wollte nichts hochkommen.
    Ich hatte soeben das Geständnis eines Mannes gehört, der
meinen Zwillingsbruder und Schatten erschossen hatte. Meinen inneren
Schatten. Und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte – ob
ich ihn hassen oder bemitleiden sollte. Ich war wütend, doch
nicht auf Ben Bridger, sondern auf Rob und mich. Wir hatten die Sache
gründlich vermasselt. Wir hätten die Welt besiegen
können. Oder sie retten. Stattdessen hatte ich ihm seine
Mädchen gestohlen und schließlich auch einen Teil seiner
Würde. Und Rob hatte mir ähnliche Dinge angetan. So viele
kleine, unwichtige Streitereien und Zwistigkeiten, bei denen ich
hätte nachgeben sollen. Seine eifersüchtig gehüteten
und wahrscheinlich für immer verlorenen wissenschaftlichen
Erkenntnisse, die ich ihm nur deshalb nicht gestohlen hatte, weil wir
inzwischen Geheimnisse voreinander hatten und uns aus dem Weg
gingen.
    Gemeinsam hätten wir es schaffen können. Wir
hätten tatsächlich den großen Wurf machen
können. Das sagte ich mir wieder und wieder, während
ich in den verkratzten, fleckigen Spiegel starrte.
    Ich war das vollkommene Ebenbild meines Zwillingsbruders –
bis hin zu unserer selbstmörderischen Arroganz.
    Die Durchfallattacken von dem Gegenmittel kamen und gingen, so
dass ich, meiner Not und meinem Elend hilflos ausgeliefert, volle
zehn Minuten auf der Toilette verbrachte.
    Als ich zum Wagen zurückkam, kippte Ben gerade den letzten
Schluck eines Royal Crown. Vorsichtig ließ ich mich in die
Polster des Rücksitzes sinken. Ben schnäuzte sich in ein
blaues Papiertuch, das zum Putzen der Scheiben gedacht war, und
vermied es, mich anzusehen.
    Banning nippte Kaffee aus einem orangefarbenen Pappbecher mit dem
Logo der Tankstelle und studierte den nächsten Abschnitt der
Straßenkarte.
    »Wahrscheinlich haben Sie in den letzten Tagen nicht die
Nachrichten verfolgt«, sagte Ben.
    »Nein.« Ich spürte, wie sich mir der Magen
umdrehte, und tat mein Bestes, das Zittern in der Stimme zu
unterdrücken.
    »Der Direktor der CIA ist vor kurzem zurückgetreten. Er
steht unter Verdacht, geheime Dateien kopiert zu haben, aber das ist
nur ein Vorwand. Es geht um weit mehr. Im Netzwerk von Silk in
Washington zeigen sich Risse. Da geht ein kleiner Krieg vor sich, der
von eigentlich recht unbedeutenden Vorkommnissen ausgelöst
wurde«, erklärte Ben. »Einige Agenten haben ihren
Chefs gewisse Geschehnisse gemeldet – vielleicht sogar die
beiden, die

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