Jäger
Anzüge
getragen und Zigarette geraucht, wie die kriegsmüder Lemminge
der Fünfzigerjahre. Nur fehlte uns der Hintergrund, der dieses
Verhalten gerechtfertigt hätte.
Mir war schlecht.
Kapitel 13
Nach einer scheußlichen und vorwiegend schlaflosen Nacht,
die ich im dritten Stock des Homeaway, nur wenige
Straßenzüge vom Genetron Building und meinem Labor
entfernt, verbracht hatte, zog ich die Vorhänge zurück.
Jenseits des Lake Union kroch der Morgennebel über die rostigen
Tanks, Rohrleitungen und weiten Rasenflächen der Gaswerke.
Fünf Minuten lang blieb ich so stehen und fühlte mich wie
ein Glückspilz.
Ich war kein Unglücksbringer. Ich war kein Pechvogel.
Über mir lag kein Fluch. Schließlich hatte ich
überlebt. Und das bedeutete, dass ich Glück gehabt hatte,
vielleicht sogar der richtigen Spur im großen Muster folgte.
Das Einzige, was mir im Weg stand und mir wirklich zu schaffen
machte, waren die Morde und das FBI.
Rob hätte meine Stimmung zu deuten gewusst: Es lief nicht so,
wie Prinz Hal es sich vorgestellt hatte.
Auf dem Nachttisch klingelte eines der Handys. Seit Wochen waren
die mobilen Telefone in den USA vollkommen von Viren verseucht.
Deshalb schleppte ich sicherheitshalber vier davon mit mir herum, die
über vier verschiedene Netze funktionierten: ein PalmSec, ein
InfoBuddy und zwei Nokias.
Es war das PalmSec, das klingelte. Die polyphone Handy-Melodie,
die ich für den Vormittag eingestellt hatte, sagte mir zwei
Dinge: dass ich einen Anruf hatte und dass es noch nicht Mittag war.
Ich klappte das Handy auf, tippte meinen Code ein und nahm den Anruf
entgegen. »Cousins.«
»Dr. Cousins, hier ist Betty Shun. Wie geht es
Ihnen?«
»Bestens«, erwiderte ich und bereute im selben
Augenblick meinen unbekümmerten Tonfall.
»Wir hier sind sehr traurig«, sagte sie. »Wir haben
viele gute Freunde verloren.«
»Ja, ich weiß.«
»Wir müssen uns treffen. Ich bringe einen Mann mit, der
ebenfalls für Owen arbeitet. Er möchte mit Ihnen
sprechen.«
»Wann?«, fragte ich.
»Wir sitzen in einem Wagen vor Ihrem Hotel. Wir fahren mit
Ihnen ins Crab Cart, zum Frühstücken.«
Ich hatte meinen Marschbefehl erhalten, daran war nicht zu
rütteln. Dabei hätte ich nichts lieber getan als
herausgefunden, wie es meinen Proben vom Meeresboden ging und was es
mit ihnen auf sich hatte. Die Zeit wurde knapp.
Wie immer.
Kapitel 14
Betty Shun, in eine grüne Lederjacke und eine bequeme,
ebenfalls grüne Hose gekleidet, wartete in der Hotelhalle. Als
ich mich umwandte, sah ich, wie ein untersetzter Mann mit
schütterem Haar und rundem Gesicht, etwa Ende vierzig, aus der
Männertoilette kam und in seine Hände hauchte. Er
vergewisserte sich, dass sie trocken waren, ehe er mir die rechte
Hand entgegenstreckte.
»Darf ich bekannt machen: Hal Cousins, Kelly Bloom«,
stellte Betty uns vor. Shun, Bloom, Press…
In diesen Namen erkannte ich ein gewisses Muster: Ihre Träger
gehörten sämtlich zum Club der Einsilbigen. Bloom trug von
Kopf bis Fuß Drillich: Drillichhose, Drillichjacke mit
Messingknöpfen, ein blaues Drillichhemd. Und luftgepolsterte
Sportschuhe – alt, aber sauber geschrubbt.
»Zuallererst meine Glückwünsche, Dr. Cousins«,
sagte Bloom. »Lassen Sie uns an einen ruhigeren Ort
verschwinden.«
Sie eskortierten mich nach draußen. Ich hatte eine Limousine
oder zumindest einen BMW erwartet, doch der Wagen, der vor der
Hotellobby parkte, war ein mit Regentropfen und Schlammspritzern
übersäter, knallroter Ford Taurus, der schon einige
Jährchen auf dem Buckel hatte. Sein rechter Kotflügel war
eingedellt, die Fahrerseite voller Kratzer.
»Ihrer?«, fragte ich Bloom. Er grinste.
»Es wird ein langer Tag werden, wie?«, erkundigte ich
mich bei Betty. Sie schenkte mir ein einstudiertes Lächeln.
•
Das Crab Cart war dunkel und ruhig. Die Nischen im hinteren Teil
des Restaurants waren mit Zwischenwänden aus Glas und Holz
voneinander abgetrennt und boten einen Blick auf private
Ankerplätze, an denen Yachten lagen. Betty, die als Erste
bestellte, orderte Hafergrütze und zwei Eier. Bloom wollte
nichts, nicht einmal Kaffee, und gab sich als Asket. Ich bestellte
eine Schale Weizenflocken, Toast und ein kleines Krabbenomelett.
Bloom lächelte nachsichtig, als ich mich auf mein
Frühstück stürzte. Nachdem Betty die Hälfte ihrer
Hafergrütze und beide Eier verzehrt hatte, tupfte sie den Mund
geziert mit einer Leinenserviette ab.
Gleich darauf begann das Verhör. Bloom sprach
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