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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Herz«, flehte Banning vor der Tür.
»Meine Blase platzt gleich.«
    •
    Banning und ich verbrachten den Rest des Morgens damit, für
mich zwei neue Hemden und eine Hose zu kaufen. Außerdem erstand
ich einen billigen Aktenkoffer, in dem Robs Umschlag Platz hatte. Ich
weigerte mich, Banning bezahlen zu lassen, und plünderte mein
Bankkonto, indem ich Schecks ausstellte.
    Nun ist es also so weit, dachte ich. Ich bin ein Hungerleider, der
auf die Freundlichkeit eines heimatlosen bigotten Rassisten
angewiesen ist. Das bisschen Zeit, das mir zum Nachdenken geblieben
war, hatte nicht ausgereicht: Immer noch war ich mir über den
Inhalt des Umschlags nicht im Klaren.
    Unser Termin mit Mrs. Callas rückte näher. Wir nahmen
ein Taxi, das uns in die südlichen Vororte von San Francisco
brachte.
    •
    Der Kragen meines neuen Hemds schabte gegen meinen bandagierten
Hals, als wir die drei Treppenfluchten zum obersten Stockwerk eines
umgebauten Lagerhauses erklommen. Die Luft war so stickig, dass wir,
oben angekommen, völlig durchgeschwitzt waren.
    Eine breite, weiße Tür versperrte den Eingang, der am
Ende eines kurzen Treppenflurs lag. Banning hob den schweren eisernen
Klopfer und ließ ihn gegen die Tür krachen. Sekunden
später wurde die kleine Metallplatte vor dem Guckloch zur Seite
geschoben, ein dunkelbraunes Auge spähte hindurch. Während
die kleine Platte zurückschwang, glitt die Stahltür auf
kleinen Gummirädern quietschend zur Seite, es klang wie das
Fiepen einer verängstigten Maus.
    Mrs. Monroe Callas bat uns in ihr spartanisch möbliertes,
weitläufiges Wartezimmer, das durch freistehende weiße
Wände aus Fasergips unterteilt und nach oben hin offen war, so
dass die Dachbalken und das Wellblechdach zu sehen waren. Mrs. Callas
hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Reiher – alles an
ihr war ein bisschen zu lang, die Beine und der Hals, die Nase und
die Finger. Doch ihre Kraft und ihre Selbstsicherheit waren nicht zu
übersehen.
    Wir nahmen vor einem Schreibtisch aus rostfreiem Stahl Platz, der
bis auf ein Tablett mit zwei original verschlossenen
Mineralwasserflaschen der Marke Alpine Shiver völlig leer war.
»Bedienen Sie sich«, sagte sie. »Es ist heiß
hier drin.«
    Im Gebäude war es still, offenbar waren wir die einzigen
Besucher. Vorsichtig öffnete Banning eine Flasche und lauschte
auf das Knacken des Plastikverschlusses und das Zischen des
entweichenden Kohlendioxyds, bevor er trank. Ich tat es ihm nach.
    Nachdem die Callas dieses Ritual mit einigem Interesse verfolgt
hatte, unterbreitete sie uns ihre Geschäftsbedingungen.
»Ich habe mir Mr. Bannings Referenzen angesehen. Ich
übernehme keine Sozialfälle um der Wohltätigkeit
willen und ich will auch keine Verrückten in meiner
Klientel.« Sie sah mich an. »Sie scheinen zur ersten Sorte
zu gehören. Und Mr. Banning ganz sicher zur zweiten.«
    Banning zupfte nervös, aber mit Würde sein Jackett
zurecht. »Hier geht es wohl kaum um Wohltätigkeit«,
erklärte er. »Dr. Cousins ist ein angesehener
Wissenschaftler. Er könnte sogar Ihnen noch einiges über
Biologie und Biochemie erzählen, das Sie überraschen
würde. Betrachten Sie es als einen fairen Austausch.«
    »Vergessen Sie’s«, murmelte ich. Ich kam mir vor
wie ein Idiot und die Callas bestätigte dies nur. Ihre
Einschätzung hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Wie viel
Loyalität schuldete ich Banning, weil er meine Rechnung im Alta
Bates bezahlt hatte? Wie verzweifelt war meine Situation
überhaupt?
    Ziemlich verzweifelt, wenn nicht sogar hoffnungslos. Zumindest
hoffnungslos durcheinander. Die Notizen und Manuskripte meines
Bruders füllten meinen Kopf mit beunruhigenden, halb
ausgegorenen Bildern, die kaum die Bezeichnung Gedanken verdienten.
Das Codein wirkte noch immer, doch es unterdrückte die Schmerzen
nicht vollständig. Ich umschloss mein Handgelenk mit festem
Griff, um das Pochen abzuschwächen.
    »Ich bringe Leuten bei, wie sie Schwierigkeiten aus dem Weg
gehen können«, sagte sie. »Dafür werde ich
bezahlt.«
    »Na wunderbar – Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen ist
genau das, was wir lernen müssen«, sagte Banning mit
aufgesetzter Munterkeit. »Vor ein paar Monaten habe ich
versucht, einen jungen Mann zu einem Termin bei Ihnen zu
überreden. Vielleicht erinnern Sie sich? Wir sind zu dem Termin
nicht erschienen. Rob Cousins?«
    Das Gesicht der Callas blieb teilnahmslos.
    »Er ist tot«, fuhr Banning traurig fort. »Das hier
ist sein Bruder.«
    »Mein Beileid«,

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