Jäger
die Callas lässt sie bereits
einen rechtsgültigen Vertrag unterschreiben.«
Ich schlug mit meiner verletzten Hand so laut gegen die Wand, dass
sie es sicher bis ins Büro hörten.
»Schauen Sie«, sagte Banning. »Mir wäre es ja
auch lieber, wenn sie wieder ginge, aber wir haben keine große
Wahl. Sie sind ähnlich gefährdet wie ein Rehkitz auf der
Autobahn. Und deshalb brauchen Sie genau das, was die Callas
anzubieten hat.«
»Warum sollte ich zulassen, dass Sie mich am Gängelband
herumführen, als wären Sie ein…«
»Ein angejahrter Fanatiker, der von ähnlichen
Schreckgespenstern heimgesucht wird wie Sie selbst?«, griente
Banning mit britischem Tonfall. Er verzog das Gesicht, als habe er
auf etwas Bitteres gebissen, ließ mich stehen und ging
zurück ins Büro.
Meine Hand pochte so stark, dass ich sie mit der anderen erneut
umschloss. Zähneknirschend machte ich mich auf den Weg zum
Büro, fand dort aber keinen Menschen vor. Als ich Bannings
Schritte auf dem Beton des offenen Lagerhauses widerhallen
hörte, ging ich ihm nach und gelangte schließlich zu einer
Backsteinwand mit hohen, stahlgefassten Fenstern. Sie gingen nach
Osten hinaus und boten freien Blick auf weitere Lagerhäuser und
Fabriken. Durch die unteren Fenster, die offen standen, drang zwar
ein leichter Luftzug hinein, doch unter dem Wellblechdach war es
genauso heiß wie im Treppenhaus.
Die Köpfe über irgendwelche Papiere gebeugt, saßen
Lissa und die Callas an einem alten Eichentisch, während die
Sonne den Fußboden versengte. Das Ganze gefiel mir
überhaupt nicht.
Als Lissa mich bemerkte, entschuldigte sie sich und kam so
militärisch-zackig zu mir herüber gestöckelt, dass ihr
leichtes Sommerkleid höchst unpassend wirkte. Ihre Schritte
verrieten Entschlossenheit und kühle Distanz, ihre Augen
Unnachgiebigkeit.
»Was machst du hier mit diesem Banning?«, flüsterte
sie. Banning, etwa zehn Meter von uns entfernt, starrte auffallend
unbeteiligt aus dem Fenster. »Weißt du überhaupt, wie
verrückt der ist?«
»Wir sind uns erst gestern begegnet. Er hat mir
geholfen.«
»Er leugnet den Holocaust. Er hat in Kalifornien und Oregon
vor Judenhassern und anderen Rassisten Vorlesungen gehalten.
Herrgott, es war schlimm genug, dass Rob mit ihm zu tun hatte, warum
jetzt auch du?« Die Linien ihres Kinns wurden hart und ihre
Wangen bleich.
»Das hier ist nicht der passende Ort für ein solches
Gespräch«, sagte ich und bemühte mich, ruhig und
vernünftig zu klingen. »Es sind einige recht
merkwürdige Dinge passiert. Banning…«
»Woher willst du wissen, dass nicht er dafür
verantwortlich ist?«
Ich fühlte mich wie ein ganz besonders dämliches
Mondkalb.
»Was weißt du über die Callas? Mrs. Callas?«, fragte Lissa.
»Nichts. Absolut nichts.«
»Du folgst Banning also wie ein Schaf?«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
Lissa dämpfte ihre Stimme. »Ich habe Freunde bei der
Polizei angerufen. Die Callas hat einen guten Leumund, aber sie ist
der Typ von Frau, der sich für Gleichberechtigung stark macht.
Sie hat einigen wirklich sehr üblen Zeitgenossen aus der Patsche
geholfen. Wir werden uns noch ausführlich darüber
unterhalten«, versprach sie.
»Warum hilfst du mir?«
»Deine Mutter und ich hatten nach der Beerdigung ein
Gespräch von Frau zu Frau. Erinnerst du dich?«
Mir fiel ein, wie ich mit einer Morgenlatte im Korridor gestanden
hatte.
»Sie hat mir erzählt, dass Rob sehr klug war, aber du
noch klüger bist. Na ja, vielleicht bin ich ja klüger als
ihr beide zusammen. Ich will nämlich herausfinden, wer Rob
umgebracht hat. Das ist das Mindeste, was ich meinem Mann
schulde.« Auf meine unausgesprochene Skepsis reagierte sie mit
einer Verschon-mich-damit-Grimasse. »Ich habe Mrs. Callas
gesagt, dass ich – falls du einverstanden bist, an dem Training
teilzunehmen – die Kosten übernehme. Ich glaube, sie
möchte noch mehr über dich und Rob in Erfahrung bringen.
Gegen Banning hat sie ohnehin schon alle Trümpfe in der
Hand.«
Während wir unsere Stühle vor den Schreibtisch
rückten, wartete die Callas ab, legte die Füße auf
die Schreibtischplatte und verschränkte die Hände im
Nacken. Was ihr jetzt noch fehlte, war das Streichholz zwischen den
Zähnen.
»Dank Mrs. Cousins arbeite ich jetzt für Sie. Aber wir
sind noch ganz am Anfang, und ich lege erst los, wenn ich es für
richtig halte. Erzählen Sie mir, was ich wissen muss.«
Lissa machte den Anfang. Sie erzählte, was sie über
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