Jäger
anstellen. Das kann
ein, zwei Tage dauern.« Sie klopfte mit ihrem Stift ungeduldig
auf den Schreibtisch. Unsere erste Befragung war beendet.
•
Als wir die Stufen von Mrs. Callas’ Institut hinabstiegen,
sagte Lissa zu Banning, er solle abschwirren. Nur dies, sonst nichts.
Banning zuckte mit den Achseln und erwiderte, er werde im Hotelzimmer
auf mich warten.
»Was für ein trauriger Sack«, zischte sie, als er
gegangen war. Sie führte mich durch mehrere Nebenstraßen
und eine schmale Gasse zu einem Restaurant, in dem Leute aus den
umliegenden Industriebetrieben aßen. Wir nahmen unterhalb eines
von Staub und Fliegendreck verklebten Fensters in einer Nische im
hinteren Teil des Restaurants Platz. Eine kleine Vase zierte den
Tisch, doch die Nelken hatten ihre beste Zeit längst hinter
sich.
Der Kellner, ein muskulöser junger Mann, der seine Koteletten
wie der Typ im Werbespot von Sony rasiert hatte, machte Lissa
schöne Augen und beehrte mich mit einem
beglückwünschenden Grinsen. Nachdem ich zwei Eistees
bestellt hatte, ließ er uns allein. Lissa klopfte mit einem der
gezahnten Messer auf der verschrammten Tischplatte herum.
»Ich bin wirklich sauer«, sagte sie. Zur
Abwechslung und zu meinem Erstaunen war es jetzt einmal Lissa, die
verletzlich wirkte.
»Auf wen?«, fragte ich.
»Auf Rob. Auf mich. Wir haben es vermasselt, oder?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ihr habt beide so getan, als wärt ihr euch nicht
besonders nah.«
»Das waren wir auch nicht.«
Sie schüttelte den Kopf und klopfte noch heftiger mit dem
Messer. Ich konnte jetzt glasklar erkennen, auf was Lissa
hinsteuerte, und mir war nicht wohl dabei.
»Du und Julia seid geschieden, nicht?«
»Ja.«
»Was ist schief gelaufen?«
»Julia hat sich nicht mehr für mich oder das, was ich
machte, interessiert. Sie fing an, sich mehr für andere
Männer zu interessieren. Ich habe eine andere Vorstellung vom
ehelichen Zusammenleben.«
Der Anflug eines traurigen Lächelns huschte über Lissas
Gesicht. So angestrengt, wie es wirkte, bezweifelte ich, dass sie oft
lächelte. Ihre Art von Schönheit schloss diese Emotion
beinahe aus. »Ich war mit keinem anderen Mann zusammen, seit ich
Rob verlassen habe. Oder seit ich ihn geheiratet habe. Ich hab deine
Mutter nicht angelogen. Ich wollte wieder mit ihm zusammen sein, aber
es war unmöglich. Er benahm sich noch verrückter als
Banning.«
Mir fiel das Telefongespräch auf dem Lindbergh Field ein. Was
für ein beeindruckendes Paar Rob und ich doch abgaben. Was
für ein prächtiges Gespann von Versagern, die hinter dem
ewigen Leben herjagten, aber nicht fähig waren, die wenigen
sonnigen Momente, die einem auf Erden gewährt werden,
tatsächlich zu genießen.
»Ich habe ein bisschen Detektiv gespielt und meine eigenen
Nachforschungen angestellt. Ich habe Banning überprüft und
Robs Aktivitäten unter die Lupe genommen, um herauszufinden, ob
er in irgendetwas Verdächtiges verwickelt war. Drogen oder etwas
in der Art. Meine Familie ist ziemlich begütert, darum kann ich
mir das leisten. Als wir noch zusammen waren, unternahm Rob eine
Reise zum Baikalsee. Nachdem er wieder zu Hause war, las er ein Buch
von Banning. Ich hab ein Exemplar des Buchs in unserem Haus
gefunden.«
»Rob hat eine Organisation mit dem Namen Silk
erwähnt.«
»Eine geheime Organisation, die vor dem Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs gegründet wurde«, deklamierte Lissa
ironisch. »Das steht in Bannings Buch, das er vor etwa zehn
Jahren im Selbstverlag herausgebracht hat. Es enthält auch die
Behauptungen, dass Winston Churchill Hitler gezwungen hat, England
den Krieg zu erklären, dass die Konzentrationslager der Nazis
Erziehungsanstalten und die Gaskammern in Wirklichkeit schicke Saunen
waren.«
Stille senkte sich über den Tisch. »So ein
Mistkerl«, murmelte sie. »Mein Großvater hat seine
ganze Familie in Dachau verloren.«
»Wenn du irgendeine Erklärung hast, die Sinn macht,
würde ich sie gerne hören«, sagte ich. »Was hat
Banning für Rob getan?«
»Banning war angeblich eine Koryphäe beim Aufspüren
von Dokumenten. Rob suchte Bestätigungen für das, was er
herausgefunden hatte. Er traute Banning nicht sonderlich. Rob und ich
waren zu diesem Zeitpunkt…« Noch immer aufgewühlt von
den Emotionen der letzten Sekunden, fiel es ihr schwer
weiterzusprechen. Sie schluckte trocken. »Wir hatten uns
getrennt. Ich wollte ihn nicht aufgeben, aber er war voll und ganz
mit diesem anderen Leben, dieser irrwitzigen, verrückten
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