Jäger
Suche
beschäftigt. Und Banning half ihm dabei, während ich davon
ausgeschlossen war.
Als er das letzte Mal mit mir gesprochen hat, erzählte er
mir, er habe Proben von seiner Haut und seiner Nase genommen. Auch
von seinem Stuhl. Er höre seinen Eingeweiden zu und empfange
Botschaften von irgendeinem Superintellekt oder Überbewusstsein.
Vollkommener Schwachsinn.« Lissa sah von der Kerbe auf, die sie
mit dem Messer in den Tisch geritzt hatte. »Ich habe einen
Privatdetektiv angeheuert, um dich aufzuspüren«,
erklärte sie. »Ich hätte dich auch ohne Bannings
Telefonanruf gefunden.«
»Ich fühle mich geschmeichelt«, erwiderte ich. Das
stimmte zwar, doch gleichzeitig verkrampfte sich mein Magen.
»Du bist Rob so ähnlich«, stellte sie fest, aber es
war nicht kritisch gemeint, wie ihre Augen verrieten. Um sie daran zu
hindern, den Tisch völlig in Stücke zu hacken, legte ich
meine Hand auf ihre.
Gleich darauf wandte sie sich abrupt ab und sagte bitter:
»Ich fordere Bestrafungen geradezu heraus. Offenbar
genieße ich sie.« Sie ließ das Messer auf den Tisch
klappern, griff in ihre Handtasche und drapierte sechs Dollarscheine,
dekorativ gefächert, über die frischen Kerben in der
Tischplatte. »Wo seid ihr beiden abgestiegen?«
Wir verließen das Restaurant und gingen zu Lissas Toyota.
Sie fuhr mich nach Ashbury Haight.
•
Ich fuhr mit dem winzigen Aufzug in das Hotelzimmer hinauf.
Banning kam gerade aus der Dusche und stand, nur mit Unterhose und
T-Shirt bekleidet, mitten im Zimmer. Er registrierte meine
Rückkehr mit einem knappen Nicken und legte sich gleich darauf
aufs Bett, so vorsichtig wie ein alter Mann, der einen Sturz
befürchtet. Er schloss die Augen, als sei die Dunkelheit ein
höchster Genuss, und begann unverzüglich zu schnarchen. Die
Sorgenfalten um Bannings Mund und auf seiner Stirn glätteten
sich. Auch ihm setzte dieses Leben schwer zu.
Ich ließ mich am Fenster nieder, blickte auf den Luftschacht
hinaus und spürte plötzlich, wie eine grauenvolle Angst die
kalten Finger nach mir ausstreckte. Banning hatte uns längst
nicht alles, was er wusste, gesagt, vielleicht nicht einmal alles,
was er Rob erzählt hatte. Aber auch ich hatte viele Dinge
verschwiegen. Ich traute ihm nicht, er traute mir nicht. Wir hatten
einen toten Punkt erreicht.
Und Lissa hing in dieser Situation voller Misstrauen und Chaos mit
drin. Sie tat mir Leid.
Im Lichtschacht draußen vor dem Fenster wurde es langsam
dunkel. Aus Banning war ein Schläfer, ein latenter
Fanatiker geworden, den der Schlummer auf ewig gefangen halten
würde, dachte ich in diesem Augenblick. Die Klimaanlage war
defekt, aus den Ventilatoren drang stickige, warme Luft. Ich
schaltete die Anlage aus, machte das Fenster auf und lehnte mich
hinaus. Mein Blick fiel auf das von Dämmerlicht erfüllte
rechteckige Stück Himmel, auf eine einsame, zartgefiederte
Wolke, auf einen von hohen Winden zerzausten Kondensstreifen.
Banning hatte etwas Verpflegung – eine Tüte voller
Konservendosen – beigesteuert, außerdem standen im Bad
einige versiegelte Mineralwasserflaschen. Da meine Kehle
ausgedörrt war und ich die Unannehmlichkeiten des Tages
hinunterspülen wollte, machte ich eine Dose Pfirsiche auf und
trank den Saft. Um nichts zu vergeuden, begann ich, die Finger
abzuschlecken, besann mich jedoch eines Besseren und wusch die
Fingerspitzen fünfmal mit Seife ab, ohne die Bandage dem Wasser
auszusetzen. Danach verdrückte ich die glitschigen
Fruchtscheiben und wusch mein Gesicht unter dem Wasserhahn. Der
Verband um meinen Hals wurde dabei feucht, aber das machte mir nichts
aus. Die Abkühlung tat mir gut.
Essen aus Konservendosen und Vitamintabletten: Das war doch kein
Leben. Ich sehnte mich verzweifelt danach, ins Labor
zurückzukehren, in irgendein Labor, und zu arbeiten, irgendeine
Art von Arbeit – wie geisttötend auch immer. Dort
gehörte ich hin, nicht in diesen verrückten Albtraum, der
offenbar gar nicht mehr enden wollte.
Mein Magen konnte sich nicht entscheiden, ob er die Pfirsiche bei
sich behalten sollte oder nicht. Ich spürte, wie sich die
Schatten in den Zimmerwinkeln verdichteten. Meine Hand und mein Hals
schmerzten, außerdem verhinderte Bannings
unregelmäßiges Schnarchen, dass ich mich ausruhen oder
nachdenken konnte.
Bemüht, all diese Unannehmlichkeiten zu ignorieren, griff ich
nach dem Aktenkoffer, legte ihn auf den Schreibtisch, zog den
wackligen Stuhl heran und nahm Platz. Wo sollte ich weitermachen?
Schließlich
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