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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Meine Entschlossenheit, von Anfang an
nicht die festeste, begann zu wanken.
    Ich war so lange allein gewesen, dass ich vergessen hatte, wie
sehr ich es verabscheute. Banning konnte ruhig gehen, ich würde
ihm keine Träne nachweinen. Aber Lissa wollte ich, um ehrlich zu
sein, nicht einfach so stehen lassen und ihr den Rücken kehren.
Die meisten Männer lassen sich instinktiv von schönen
Frauen fesseln. Und diese reale, nicht zu leugnende Schwäche
trägt dazu bei, dass manche von uns einen frühen Tod
finden.
    »Es kann nicht einfach so zu Ende sein«, sagte sie.
»Ich will nicht, dass es so endet.«
    Leise fluchend rannte ich an ihr vorbei zu Bannings Plymouth, der
noch immer nicht warm gelaufen war. Banning kurbelte das Fenster
einen Spalt breit herunter und bedachte mich mit einem
argwöhnischen schiefen Blick.
    »Kommen Sie jetzt bloß nicht auf dumme Ideen«,
warnte er mich.
    »Haben Sie denDosenöffner eingepackt?«, fragte ich.
»Kann ich ihn haben?«
    Er trommelte mit den Fingern kurz auf das Lenkrad und sagte
schließlich: »Er ist in der Schachtel im Kofferraum. Sie
brauchen nur an dem Draht zu ziehen, der aus dem Loch ragt, wo mal
das Schloss gewesen ist.«
    Ich kramte in der Schachtel mit Konserven herum, fand den
Dosenöffner, verstaute ihn im Aktenkoffer neben Robs
Aufzeichnungen und warf den Kofferraumdeckel wieder zu. Nach zwei
Versuchen rastete er endlich ein.
    »Ich hab ihn gefunden«, rief ich. »Danke.«
    Er kurbelte das Fenster wieder hoch und gab Gas. Gleich darauf
tuckerte der Plymouth in Richtung Norden davon, bog um die Ecke und
verschwand aus unserem Blickfeld.
    •
    Offenbar ziellos, schlug Lissa den Weg nach Süden ein und
fuhr am Flughafen vorbei. Zwanzig Minuten lang genügte es uns,
einfach nur im Wagen zu sitzen und irgendwohin zu fahren. Sobald wir
anfingen, Fragen zu stellen, würde die schwierigste lauten: An
welchem Punkt beginnen? An welchen Fäden in diesem Muster
sollten wir ziehen, um es aufzudröseln und zu entwirren? Bisher
hatte sich jeder Faden, an dem ich gezogen hatte, als kurzes Ende
erwiesen.
    »Gestern Abend hat mich jemand angerufen, der sich als Rob
ausgab«, sagte ich.
    »Rob ist eindeutig tot«, intonierte sie in einem
Tonfall, als wiederhole sie ein Mantra. »Sie haben sich einen
üblen Scherz mit dir erlaubt.«
    »Wer?«
    »Wer auch immer.«
    »Deshalb war Banning so froh, sich aus dem Staub machen zu
können. Er nimmt an, dass ich markiert wurde.«
    »Was heißt das – markiert werden?«
    »Sie hängen einem etwas an, indem sie Bakterien oder
Ähnliches heimlich ins Essen mischen. Um das Gehirn zu
manipulieren.«
    »Das ist der Irrsinn, den Banning verbreitet. Banning hat Rob
dazu gebracht, solche Dinge zu glauben.«
    »Hat er das? Rob hat Aufzeichnungen über das gemacht,
was er in Sibirien in Erfahrung gebracht hat. Es kann einem den
Angstschweiß auf die Stirn treiben.« Ich ließ den
Aktenkoffer aufschnappen und hielt den Umschlag in die Höhe.
»In den Dreißigerjahren haben die Russen ein
Forschungsprogramm entwickelt, das sich mit Gehirnwäsche mittels
Bakterien befasste. Bestimmte Arten von Bakterien, die in die Nahrung
eingeschleust wurden, erwiesen sich als fähig, das Verhalten der
Menschen zu verändern oder sie extrem beeinflussbar zu machen.
Irgendjemand im Hintergrund konnte die Leute dann lenken. Ihr
Bewusstsein kontrollieren. Sie waren markiert.«
    »Glaubst du, dass sie derzeit dein Bewusstsein
kontrollieren?«
    »Nein.«
    »Weshalb nicht? Sie – wer immer sie sind – scheinen
doch sehr mächtig zu sein. Sie haben sogar Mrs. Callas Angst
eingejagt.«
    »Ich bin auf Antibiotika«, erwiderte ich. Dieser Gedanke
spukte mir bereits seit Stunden im Kopf herum. Als Hypothese war er
durchaus interessant, doch er vermochte nicht alles zu erklären,
das mir zugestoßen war, etwa meinen tranceähnlichen
Zustand am Abend zuvor. Und er bot auch keine Antwort auf die Frage,
warum ich dem Wahnsinn auf der Sea Messenger entkommen
war.
    »Antibiotika? Das ist alles, was man braucht, um dem Griff
von Dr. Mabuse zu entgehen?«
    »Wessen Griff?«
    »Dem von Dr. Mabuse«, wiederholte Lissa. »Mah
-buh -se. Fritz Lang hat einen Film über ein böses und
kriminelles, jedoch superintelligentes Genie namens Dr. Mabuse
gedreht. Der angeblich die Charakterzüge von Adolf Hitler
trägt.«
    »Oh.« Offenbar hatte ich meine Nase allzu lange und
allzu oft in Fachzeitschriften und Laborhandbücher gesteckt.
    »Hätten diese Herren des Universums denn nicht auch an
die

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