Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
bestätigt hatte, glaubten manche, dass Danaus Tabor getötet hatte, während andere meinten, dass er einem anderen Ältesten zum Opfer gefallen war, der sich aus Angst vor Jabaris Zorn nicht dazu bekennen wollte. Ich hatte mich in letzter Zeit gefragt, ob nicht die Naturi den Mord begangen haben könnten. Wie hätten sie besser dafür sorgen können, dass wir das Siegel nicht schützen konnten, als jene Triade zu vernichten, die es erschaffen hatte? Aber jetzt, da die Naturi Zugang zum Thronsaal gefunden hatten, nahm eine noch schlimmere Vermutung in meinem Kopf Gestalt an.
Hinter der Reihe der vier Throne befanden sich drei weitere Stufen und ein kleineres Podest. Darauf stand ein einzelner schmiedeeiserner Thron mit einem roten Samtkissen. Dieser Thron gehörte unserem Regenten. Auch er war leer. Ich starrte einen Moment lang auf den leeren Platz, bevor ich mich endlich zwang, den Blick auf die Ältesten darunter zu richten. Die Begegnung mit unserem Regenten stand mir noch bevor, und wenn es mich auch nicht gerade beruhigte, dass er im Moment vermisst wurde, war ich doch froh, dass ich ihn nicht unter den gegenwärtigen Umständen zum ersten Mal treffen würde.
Ich blieb in der Mitte des Saals stehen und neigte das Haupt vor dem Konvent. Ich verhielt mich ehrerbietig, aber nicht ausgesprochen unterwürfig. Schließlich bewegte ich mich ohnehin auf dünnem Eis. Jabari musste mehr als nur ein bisschen sauer auf mich sein, wenn er schon daran arbeitete, mich zu ersetzen, und ich hatte nie Gelegenheit gehabt, bei Macaire und Elizabeth Punkte zu sammeln, also war von ihnen keine Unterstützung zu erwarten. Mein Ziel war es, nicht gleich in den ersten fünf Minuten ins offene Messer zu laufen und gleichzeitig meine Begleiter am Leben zu erhalten. Danaus war klug genug, einen Schritt hinter meiner linken Schulter stehen zu bleiben und sich nicht zu rühren. Tatsächlich war ich mir nicht mal sicher, ob er überhaupt noch atmete. Aber dadurch, dass er hinter mir blieb, schien er mir zu versichern, dass er mir bei diesem komplizierten Tango die Führung überlassen wollte. Wenigstens für den Moment.
Sadira allerdings trat vor und bezog zu meiner Rechten Position. Sie ließ sich darauf ein, an meiner Seite zu bleiben, aber ihre Position ließ ihr eine Rückzugsmöglichkeit, falls ihr die Sache zu heiß wurde. Macaire veränderte die Position auf seinem Thron, indem er sich zurücklehnte und das linke Bein ausstreckte. Sein Blick glitt über jeden Einzelnen von uns, bevor er endlich Luft holte und zu sprechen anhob.
„Benvenuto, Sadira. Es ist lange her, seit du das letzte Mal in Venedig warst." Sein Italienisch war flüssig und fehlerlos, so als wäre er von hier. „Grazie", murmelte sie, während sie sich vor dem Trio verneigte. „Selten nur verlasse ich meine Heimat, aber es tut immer gut, Venedigs Schönheit zu sehen." Trotz der Anspannung, die ich als kleine Wellen spürte, die von ihr abperlten, blieb ihre Stimme ruhig wie gewöhnlich, so als könne nichts ihre Gelassenheit erschüttern. Mir war nach Würgen zumute, aber ich hielt den Mund und setzte eine unbewegte Miene auf.
„Bitte, setz dich doch zu uns. Es scheint, wir haben eine Menge zu besprechen." Mit einem beiläufigen Wink der Rechten bedeutete ihr der silberhaarige Älteste, vor ihm auf den Stufen Platz zu nehmen. Macaire war nicht der Anführer der Ältesten und nicht einmal der Stärkste von den dreien. Das war jetzt und für alle Zeiten Jabari. Macaire liebte es allerdings, mit seiner Beute zu spielen. Er spielte gern mit ihrem Verstand und brach zuerst ihre Seele, bevor er ihren Körper zerstörte. Das war ein Wesenszug, den er mit Sadira und vielen anderen Nachtwandlern gemeinsam hatte.
„Ich fühle mich geehrt, aber ich bleibe lieber hier an der Seite meiner Tochter", sagte sie und reckte leicht das Kinn vor. Ich konnte mich nicht zurückhalten, überrascht eine Augenbraue zu heben. Macaire hatte ihr einen leichten Ausweg angeboten, ein ausgesprochen großzügiges Angebot, ihre eigene Haut zu retten. Eine zweite Chance würde sie nicht bekommen.
„Ach so", zischte er. Macaires Blick wanderte zu mir hinüber, und seine Augen verengten sich. „Mira. Wir haben uns lange nicht gesehen."
„Seit diesem letzten kleinen Auftrag in Nepal nicht", sagte ich mit einem liebenswürdigen Lächeln. Das war ein kleiner Rippenstoß, eine freundliche Erinnerung daran, dass ich früher die Anweisungen des Rates ausgeführt hatte. Einer ihrer Lakaien
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