Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
Opfer tat mir jetzt schon leid. Missmutig ging ich über den Anlegeplatz voran zu dem Pfad, der sich am Hotel vorbeischlängelte und weiter ins Innere der Insel führte. Auch ohne jemals bei Hofe gewesen zu sein, hätte ich den Weg gefunden. Tief im Inneren der kleinen Insel pulsierte die Macht, und je weiter wir gingen, desto größer wurde die Anzahl der Nachtwandler um uns herum. Ich ging weiter voran, als wir den Pfad betraten, während Danaus rechts hinter mir folgte und Sadira links hinter mir blieb. Die Spannung tanzte und knisterte in meinem gesamten Körper. Als einer der Nachtwandler sich aus dem verborgenen Rudel löste und sich uns näherte, richteten sich plötzlich die Härchen auf meinen Armen und im Nacken auf. Ich konnte ihn noch nicht sehen, aber ich spürte ihn.
„Ruhig bleiben", raunte ich Danaus zu, aber vermutlich sprach ich genau so sehr mit mir selbst. Mein Magen krampfte sich vor Anspannung zusammen wie eine Schlange, die sich zu einem festen Knäuel verknotet. Bis jetzt hatte ich mich ganz auf die Begegnung mit den Ältesten konzentriert. Ich hatte mir keine Gedanken über den langen Weg zum Thronsaal gemacht. Jedes Mal, wenn ich seit meinem Abschied von Sadira die Insel besucht hatte, hatte ich unter Jabaris Schutz gestanden und war von Ärger mit der Horde von Speichelleckern und Hofschranzen, die die verschiedenen Ältesten umschwärmten, verschont geblieben.
Als der Nachtwandler in den Lichtkegel einer nahen Straßenlaterne trat, blieb ich stehen. Valerio. Vor Jahren waren wir eine Zeit lang zusammen unterwegs gewesen. Er war älter als ich, aber noch kein Alter. Allerdings war er nahe dran. Viel zu nahe an der Jahrtausendmarke, als dass ich mich hätte entspannen dürfen. „Bist du meinetwegen aus Venedig weg?", fragte ich leichthin. „Ich fühle mich geschmeichelt". Ich steckte die Hände in meine Gesäßtaschen, als Valerio an den Rand des Lichtkegels trat. Mit weit gespreizten Armen vollführte er eine elegante Verbeugung. Das musste ein Zeichen gewesen sein, denn ich spürte verborgen im Schatten der Bäume, die überall auf der Insel standen und einen kleinen Wald bildeten, mehrere andere Nachtwandler näher kommen.
„Ich bin von Zeit zu Zeit, wenn mir nach etwas Zerstreuung ist, bei Hofe", sagte er mit einem leichten Zucken der rechten Schulter. „Als ich hörte, dass du hier auftauchen würdest, dachte ich, ich schau mal vorbei, und wir plaudern über alte Zeiten."
Mit dem braunen Haar voller blonder Strähnen und den wunderbaren braunen Augen war Valerio der typische gut aussehende Vampir. Er hatte etwas Verträumtes an sich, wie ein Filmstar. Mehr der romantische, aber tragisch missverstandene Held als der finstere Bösewicht. Seine Wurzeln lagen in Spanien und Italien. „Wie aufmerksam!", lachte ich. Ich gab mir Mühe, eine ungezwungene Haltung zu bewahren, aber mit so vielen feindlichen Nachtwandlern im Anmarsch war das gar nicht so leicht. Mein Körper zitterte vor Anspannung, die meine Schultermuskeln krampfhaft zusammenzog. „Aber ich habe gehört, dass du uns heute Nacht um unsere Unterhaltung gebracht hast." „Wie ich sehe, war Roberto so freundlich, die traurige Nachricht zu verkünden." Ach, es ging doch nichts über Klatsch und Tratsch unter Vampiren. Die Telepathie unter meinesgleichen hatte sowohl Vor- als auch Nachteile. Wenigstens dieses eine Mal konnte sie sich zu meinem Vorteil auswirken - nicht dass ich besonders große Hoffnungen darauf gesetzt hätte.
„Ja. Tristan steht nicht länger auf der Speisekarte. Er ist zu jung, um für diese Gruppe von Interesse zu sein." „Zu unserem Glück war der Kleine nicht das Hauptgericht", schnurrte eine Frauenstimme aus dem Schatten. Eine kurvenreiche Brünette schlich aus der Dunkelheit zu meiner Linken. Mit ihrer Körpergröße von etwas über eins achtzig war die Vampirin in dem luftigen Rock mit zartem Blumenmuster und dem blassrosa Oberteil, das ihre schlanken Schultern frei ließ, eine attraktive Erscheinung. Obwohl wir einander nie offiziell vorgestellt worden waren, wusste ich doch, dass ihr Name Gwen war. Sie war nicht besonders nett. Ich konnte mir denken, wer das Hauptgericht war, und das galt anscheinend auch für Danaus, denn die Anspannung in seinem Körper erhöhte sich beträchtlich, als sie langsam näher schlich.
„Die große Mira ist zu uns zurückgekehrt", spottete Gwen. „Und sie beherrscht nicht nur das Feuer, sie hat auch den Jäger gezähmt." Ich warf Danaus einen raschen Blick zu,
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