Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
auf einem Kliff in der Bergflanke, das hinter Machu Picchu aufragte, und von weit verzweigten Höhlen durchzogen war. Hier wäre ich vor den bohrenden Sonnenstrahlen in Sicherheit.
Danaus legte mich auf den Boden, setzte sich neben mich und stieß einen tiefen Seufzer aus. Ich öffnete die Augen, hatte aber Schwierigkeiten, sein Gesicht in der Dunkelheit zu erkennen. Er ließ die Hand über meinen Arm wandern, griff nach meiner Hand und drückte sie sanft. Diesmal gab es keinen Kraftsturm, der mir das Fleisch von den Knochen zu reißen drohte, nur seine warme Haut, die sich an meine schmiegte.
„Das war noch nicht unser letzter Kampf, sagte er. „Aber für diesmal muss ich dich auf später vertrösten. Im Moment hab ich keine rechte Lust, dich umzubringen." Ich wollte lachen. Da machte der Bastard einen seiner seltenen Scherze, und ich hatte nicht mal mehr die Kraft zu lachen. Das Beste, was ich tun konnte, war, ohnmächtig zu werden, während ich seine Hand hielt.
Epilog
Musik dröhnte von der Tanzfläche und brachte mit tiefen Bässen die Wände zum Wackeln, während sie den Tänzern einheizte, die sich danach sehnten, ihr gebrochenes Herz und ihr eintöniges Leben zu vergessen. Ich musterte die schwarz gekleidete Menge, die sich im Dark Room drängte. Der schwach beleuchtete Club platzte fast aus allen Nähten, aber das war am Freitagabend nicht weiter überraschend. Ich war hierhergekommen, um zu vergessen, was zwischen den weißgrauen Steinen von Machu Picchu geschehen war.
Aber besonders erfolgreich war ich dabei nicht. Die Erinnerung schien sich in jede meiner Gehirnwindungen eingebrannt zu haben. Dort, wo Rowe mich in den Rücken gestochen hatte, plagte mich nun ein Phantom-schmerz, obwohl die Wunde längst verheilt und nur noch ein blasser weißer Strich zu sehen war, das Gegenstück zu der Narbe auf meiner Brust, die ich Cynnia zu verdanken hatte.
Vor zwei Monaten war ich allein und übel zugerichtet in den Höhlen unter dem Tempel des Mondes aufgewacht, aber immerhin „lebendig". Sozusagen als lebender Beweis dafür, wie viel unverschämtes Glück ich hatte. Ich war den Berg hinuntergehumpelt und hatte mich nach Cuzco durchgeschlagen, wo ich einen Privatjet nach meinem geliebten Savannah gechartert hatte. Die Welt erschauderte und beklagte die vielen Todesfälle an der historischen Stätte, aber die Mühlen der Öffentlichkeitsabteilung mahlten fleißig. Man schob die Toten am Machu Picchu und in Ollantaytambo einer Gruppe politischer Extremisten in die Schuhe, und alle verräterischen Spuren, wie zum Beispiel die verkohlten Leichen der Naturi, wurden hastig unter den Teppich gekehrt. Es gab trotzdem jede Menge Fragen, und das Internet glühte vor Spekulationen, aber fürs Erste war unser Geheimnis sicher.
Doch selbst diese Gewissheit schien inzwischen gefährlich fraglich geworden zu sein. Obwohl die Tore zwischen unserer Welt und der der Naturi geschlossen worden waren, waren doch viele hindurchgeschlüpft und lauerten nun im Verborgenen. Aurora war in unsere Welt entkommen. Ich wusste, dass sie noch am Leben war, ganz egal, wie sehr ich mir wünschte, es wäre anders. Ihre Leute hatten mit Sicherheit einen Weg gefunden, um die Wunde zu schließen. Ich verfluchte mich und meine Schwäche. Hätte ich mich doch bloß von Rowe nicht aufhalten lassen und die Sache durchgezogen! Ich hätte Aurora das Herz herausschneiden sollen, selbst wenn Rowe mir währenddessen meins herausgeschnitten hätte. Aber ich war zu schwach.
Die Königin der Naturi hatte sich noch nicht aus der Deckung gewagt, aber ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bevor sie einen neuen Angriffsplan schmieden würde. Im Augenblick musste sie sich um die eigenen Leute kümmern. Aber ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass ich ganz oben auf ihrer Agenda stand. Nacht für Nacht schreckte ich aus dem Schlaf auf, in der Erwartung, einen Naturi mit einem Pflock in der Hand an meinem Bett stehen zu sehen.
Im Augenblick konzentrierte ich mich ganz darauf, „am Leben" zu bleiben, und auf meine neu gegründete Familie. Tristan war immer noch niedergeschlagen und bedrückt wegen Sadiras Tod. Er war es gewohnt, die Rolle des ergebenen Dieners zu spielen. Ich wollte aber niemanden, der sich vor mir in den Staub warf, und ich hatte keinen Bedarf an einem Diener. Trotzdem behielt ich ihn bei mir. Etwas in seinen Augen erinnerte mich an Michael, dessen Leiche immer noch vermisst wurde. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer sie
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