Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
fühlte die Narben auf ihrem Rücken, sagte kein Wort. Er streichelte sie weiter, sanft und mit tiefer Zärtlichkeit. Als das erste, kaum hörbare Schnurren aus ihrer Kehle kam, murmelte er: »Wie schön, dass du gekommen bist, Wingcat.«
»Wolltnich.«
Aber sie drückte sich an ihn. Dann sprang sie vom Bett und lief aus dem Zimmer.
55. Auf der Lauer
Sie war ihm entkommen. In den Grauen Wäldern hatte es keine Möglichkeit gegeben, sie anzufallen. Wäre sie nur mit dieser dummen, dicken Katze zusammen gewesen, hätte er es geschafft, dessen war er sich ganz sicher. Die Schlangen hätten sie trennen sollen, lähmen, vielleicht sogar töten. Aber dann waren die Wächter gekommen. Damit hatte er nicht rechnen können.
Seine Wut kannte kaum noch Grenzen. Er folgte ihnen ungesehen bis zum Dolmen. Auch da ergab sich keine Möglichkeit, denn auf sie warteten die beiden Männer.
Knurrend vor Zorn war er in seiner Deckung geblieben, hatte sich erst herausgeschlichen, als sie gegangen waren. Dann aber war er ihren Spuren gefolgt. Als Katze auf leisen Pfoten. Er hatte beobachtet, vorsichtig, aus einigem Abstand. Zu gerne wäre er an eines der erleuchteten Fenster gesprungen, aber die Gefahr, entdeckt zu werden, wollte er nicht eingehen.
Menschen schliefen in der Nacht – auch diese hier, Finn fuhr mit seiner stinkenden Maschine davon. Die Lichter verloschen.
Er dachte nach. In seiner derzeitigen Gestalt konnte er nichts anrichten, er musste sie als Mensch zu fassen bekommen. Bisher war es sein Trachten gewesen, andere für sich die Drecksarbeit machen zu lassen, und alle hatten sie versagt.
Es war an der Zeit, die Angelegenheit selbst zu erledigen. Er brauchte Kleider und, wenn möglich, eine Waffe. Kleider waren einfach. Es gab genügend menschliche Dummköpfe, die alleine durch den Wald rannten. Mit einem hinterrücks durchgeführten Angriff würden sie nicht rechnen. In der Dunkelheit verließ er seinen Posten am Forsthaus und suchte eine der Wegkreuzungen auf. Eine kleine Holzhütte bot dort den Wanderern Unterschlupf.
Er legte sich auf die Lauer.
56. Treibjagd
Finn hatte nur wenige Stunden unruhig geschlafen. Er machte sich Sorgen. Tanguy hatte recht, ein rachsüchtiger Irrer lief noch immer frei herum. Möglicherweise hielt er sich in den Grauen Wäldern auf, aber viel wahrscheinlicher war es, dass er jetzt wieder in Menschengestalt seine hinterhältigen Vorhaben plante. Wenigstens hatten die Semesterferien angefangen, und er konnte die nächste Zeit hier verbringen.
Sie mussten Shepsi finden.
Und sie mussten ihn daran hindern, weitere Anschläge auf Feli und ihn durchzuführen. Vermutlich war er, seit die letzten Aktionen gescheitert waren, bereit zu einem direkten Angriff. So sah es Nathan inzwischen auch.
Die Unruhe trieb ihn aus dem Bett. Er stand auf und zog sich an.
Chipolata kam maunzend in die Küche gehinkt, eine Folge von ihrem Kampf mit Shepsi. Er kraulte sie, während er ein Glas Orangensaft trank.
»Schade, dass ich dich nicht verstehen kann, Chip.«
Großzügig füllte er ihre Näpfe auf, dann verließ er leise das Haus, um zum Forsthaus zu fahren. Dort war noch alles ruhig, doch der Wald, jetzt kurz nach Sonnenaufgang, war voller Geräusche. Zahllose Vögel schmetterten ihre Gesänge in die kühle Luft, ein Fuchs fraß ungerührt seine Beute, Eichelhäher beschimpften sich in den Bäumen, ein Rudel Rehe äugte gierig über den Zaun, dort wo Nathan sein Gemüse anbaute.
Sie huschten plötzlich davon, und Finn sah sich alarmiert um.
Ein Mensch kam durch das Gebüsch, keuchend, beinahe schluchzend.
Nicht Shepsi.
Finn biss sich auf die Unterlippe.
Nein, kein rachsüchtiger Irrer. Aber irre schon.
»Rudi!«, rief er leise.
Der nackte junge Mann stolperte und fiel vor ihm ins Gras. Sein Gesicht war blutverschmiert, seine Augen in Panik aufgerissen.
»Rudi, was ist passiert?«
»Ü… überfallen worden«, keuchte er. »Schlag auf den Kopf. Ogottogottogott.«
»Wann? Wo?«
»An der Schutzhütte. War bewusstlos.«
Finn half ihm auf und stützte ihn, während er ihn zu Tür dirigierte.
»Wer?«
»Ein Mann, nackt. Hat mir die Kleider weggenommen. Und alles.«
»Hattest du eine Waffe dabei?«
»M… mein Jagdhorn.«
Auf sein Klingeln und Klopfen wurde geöffnet. Zerzaust und unrasiert musterte Nathan sie beide.
»Rein. Bist du verletzt, Rudi?«
»Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ich vermute Shepsi.«
»Ich hole dir etwas zum Anziehen. Dann sehen wir weiter.«
Rudis
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