Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
nächste hob ihr zähnestarrendes Haupt.
Feli schrie.
Schlug zu.
Sprang über eine Baumwurzel. Stolperte. Raffte sich wieder auf. Entkam knapp einem weiteren Angriff.
»Che-Nupet!«, schrie sie in höchster Not.
Es rauschte über ihr in den Bäumen. Und dann brach die Hölle los.
Zwei Sphingen stießen nieder, Löwenpranken packten die Schlangen, zerrissen sie, zermalmten sie schier.
Zitternd lehnte sich Feli an den Stamm eines Baumes. Die Süße in ihrem Mund überwältigte sie. Der Ast entglitt ihren blutig zerkratzten Händen. Mit kaltem Entsetzen sah sie dem Wüten der Sphingen zu. Dann war es ganz plötzlich vorbei. Flügelschlagend erhob sich der eine, der andere blieb zwischen den Bäumen stehen. Es war jener, mit dem sie gesprochen hatte.
»D… danke«, stammelte sie.
Er beachtete sie nicht, sondern sah sich suchend um. Sie folgte seinem Blick und erkannte schließlich Che-Nupet, die vollkommen regungslos in einer Astgabel hockte, die Augen weit aufgerissen, der Blick starr vor Panik.
Wieder sprach der Sphinx in einer ihr nicht bekannten Sprache, doch die Katze bewegte sich nicht, sie schien nicht einmal zu hören, was er sagte. Langsam, noch immer wackelig, stieß Feli sich von dem Stamm ab und ging zu dem Baum.
»Che-Nupet, alles ist gut. Komm herunter.«
Keine Antwort.
»Schnuppel, hör mich. Schnuppel!«
War da ein leichtes Beben der Barthaare? Ein Zucken unter dem Fell?
»Schnuppel, die Schlangen sind fort. Es ist alles gut. Komm da runter. Wir müssen weiter.«
»K… kannich.«
»Doch, du kannst. Du bist eine starke, kluge und mutige Katze. Du kannst vom Baum springen. Ganz bestimmt. Ich fange dich auf, ja?«
»B… bin zu dick.«
»Bist du nicht. Du bist nicht komisch und nicht dick, du bist genau, wie Schnuppel sein muss. Bitte, komm runter. Ich muss nach Hause.«
»A… Angst.«
Der Ast schwankte, so sehr zitterte Che-Nupet.
Der Sphinx trat neben Feli.
»Als Che-Nupet klein war, wurde sie von ihrer Mutter in eine Schlangengrube geworfen«, sagte er leise. »Ihre Tante hat sie gerettet.«
»Oh Gott! Sheshat? Warum nur? Warum hasst sie ihr Kind?«
»Willst du die Antwort von mir, Felina Menschenkind?«
Das wäre dann die zweite Bitte. Nein, das würde Che-Nupet ihr irgendwann selbst erzählen.
»Danke. Aber ich werde es schon schaffen, sie da herunterzuholen.«
»Ja, das würdest du.« Der Sphinx schlug mit den Flügeln, stieg ein Stück auf, packte Che-Nupet im Nacken und ließ sie auf den Boden fallen. Verdattert schüttelte sie sich.
Was der Sphinx zu ihr sagte, verstand Feli nicht, aber endlich stand Che-Nupet auf und trottete mit gesenktem Kopf und hängendem Schwanz zu ihr.
»Müssen gehen. Geht er mit, ne.«
»Ja, gehen wir. Zeig mir den Weg, Schnuppel.«
Feli legte ihre Hand in das flauschige Nackenfell und kraulte ihre Freundin.
»Bin so doof«, nuschelte die.
»Weiß nicht«, sagte Feli.
»Weißt du doch.«
Endlich hob sie ihren Kopf wieder. Dann trabte sie los. Feli folgte ihr, und über ihnen rauschten die Flügel des Sphinx. Lange brauchten sie nicht mehr, bald sah Feli die aufrecht stehenden Steine des Dolmens.
»Che-Nupet?«
»Ja, ist da. Gehst du.«
»Nein, du kommst mit. Wir müssen ein Kopftuch für dich aussuchen.«
»Darf nicht.«
Ein bisschen verständnislos und ungeduldig stellte Feli sich vor ihre Freundin.
»Du hast mich gebeten, dir zu vertrauen, Che-Nupet. Das habe ich getan und tue ich noch immer. Aber du musst mir auch vertrauen.«
»Hab ich dir nicht geholfen.«
»Du konntest nicht. Und – wir leben noch.«
Neben ihnen tauchte der Sphinx auf, strich Che-Nupet mit der Flügelspitze über den Rücken, erhob sich und verschwand im nebeligen Zwielicht. Die liebevolle Geste verblüffte Feli. Sollte die Sage falsch sein? Hatten die Sphingen doch Gefühle?
Gut, auch das war eine Frage, die nicht sofort einer Antwort bedurfte.
Viel wichtiger war es, herauszufinden, was sie erwartete, wenn sie durch den Dolmen in die Welt der Menschen trat.
»Auf, Schnuppel!«
»Mach ich klein, ne.«
»Oh, ja, das wäre wohl besser.«
54. Willkommen daheim
Sie war lang und dünn und schmuddelig und trug eine pummelige rotbraune Katze auf dem Arm, die sich wie verzweifelt an ihren Hals klammerte.
Das war der erste Eindruck, den Tanguy von Feli im hellen Mondlicht hatte. Dann traf ihn der Blick aus ihren Augen – voller Misstrauen und Kälte.
»Ich bin Tanguy, Nathans Neffe«, beeilte er sich zu sagen.
Zwei schwarze Kater sprangen vom Dolmen,
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