Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
sich.
»Danke, Feli. Ich hab Angst um dich gehabt.«
»Und ich um dich.«
Tanguy knurrte.
Nathan gab ihm einen Schubs.
57. Der Traum vom Fliegen
Feli durfte als Erste unter die Dusche, und da auch sie keine weiteren Kleider zum Wechseln dabei hatte, krempelte sie die Hosenbeine von Tanguys Jeans mehrmals um, stopfte das viel zu große T-Shirt in den Bund und ging dann langsam und bedächtig die Treppen nach unten. Ihr ganzer Körper tat weh, aber dennoch fühlte sie sich leicht und seltsam beschwingt. Auf dem Sofa, auf dem sie geschlafen hatte, hatte sich Che-Nupet in die Decke gerollt. Sie krabbelte heraus, als sich Feli zu ihr setzte.
»Ich konnte ihn nicht töten«, erklärte Feli leise.
»Kannst du nicht. Ist gut so.«
Sie ließ den kleinen Ohrring auf ihre Handfläche gleiten.
»Den wirst du am besten Majestät zurückbringen.«
»Weiß nicht.«
»Nein?«
»Denkst du.«
»Dann gebe ich ihn Rudi.«
»Machst du Rudi kaputt mit, ne.«
Feli kicherte und schob den Ring über ihren Finger.
»Was ist mit ihm?«
»Liegt er oben und schläft. War so aufgeregt, ne. Hat aus dem Fenster gesehen, hat gelauscht. Als Finn getutet hat, wollte er auch tuten. Danach ist er eingeschlafen.«
»Ach ja?«
»Ja, ja, ja.«
»Nun, vielleicht ist das besser für ihn. Du weißt, was dort im Wald geschehen ist?«
»Weiß ich, hat Finn erzählt.«
»Auch von dem Puma?«
»Auch. Ist er stark, ne. Und schön, der Cougar.«
Feli kämmte sich mit den Fingern durch die Haare. Er war schön, als wilder Kater und als Mann. Und er war ihr zu Hilfe gekommen. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück. Che-Nupet kletterte auf ihren Schoß.
»Ist er gefährlich, Feli. Musst du vorsichtig sein.«
»Was ist er?«
»Ist er zwei, muss er eins werden, ne.«
Das Gesicht von Tanguy und das des goldäugigen Pumas vermischten sich miteinander.
»Warum, Schnuppel?«
»Spielen sie gerne, ne.«
»Wer?«
»Die Schwestern unter dem Jägermond.«
Sie kraulte Che-Nupet nachdenklich. Bastet und Sechmet – nahmen sie wirklich Einfluss? Spielten die Götter mit Menschen und Tieren? Früher hatten die Menschen es geglaubt, und zahllose Mythen und Sagen erzählten davon.
Mit der weichen Seite ihrer Zunge leckte Che-Nupet den Kratzer auf Felis Arm und schnurrte dabei. Erschöpft und müde ließ Feli sich in den Schlaf gleiten.
Tanguy fand sie mit Che-Nupet im Arm und blieb einen Augenblick stehen, um sie anzuschauen. Im Schlaf sah sie niedlich aus, gar nicht wie das wütende Geschöpf, das sich mit Klauen und Zähnen gegen einen weit stärkeren Mann zur Wehr gesetzt hatte. Aber weit mehr als ihr friedliches Aussehen berührte es ihn, dass sie keinerlei Überraschung oder Angst gezeigt hatte, als er in seiner Tiergestalt aufgetaucht war.
Die Katze hob ihren Kopf und sah ihn mit ihren waldseegrünen Augen an. Nachdenklich, eindringlich. Sie wusste etwas über ihn, das spürte er. Und in seinem Kopf flüsterte es: »Cougar!«
Lockend, leise, verführerisch.
Wer rief ihn?
»Was soll ich tun?«
Die schönen Augen blinzelten, die Schnurrhaare fächerten sich zu einem kätzischen Lächeln auf, langsam strich eine Pfote über die Hand des Mädchens, dort, wo der schmale goldene Ohrring schimmerte.
Finn hatte seine blauen Flecken und Schrammen verarztet und sich dann grummelnd bei Nathan beschwert.
»Wir hätten ihm den Hals umdrehen sollen.«
»Hättest du es gekonnt?«
»Er hat Seba umgebracht und etliche weitere, die in dem Bus waren. Er wollte Feli und mich umbringen.«
»Todeswürdige Verbrechen.«
»Ach Mist, nein. Ich bin kein Henker.«
»Nein, das sind wir nicht.«
»Du hast recht, Nathan. Shepsi wird auch so genug Schwierigkeiten haben, klein, verletzt, nicht in der Lage, sich zu verständigen, ohne Zutritt zu den Grauen Wäldern, von seiner Heimat verbannt.«
Nathan nickte und fragte dann: »Willst du in den Ferien wieder hier arbeiten?«
»Wenn ich darf.«
»Du wirst mit Tan und Rudi die Junior-Ranger betreuen.«
»Uhhh.«
»Ein Kinderspiel. Du hast in der letzten Zeit ernste Probleme genug gehabt.«
»Tja, das kann man wohl sagen.«
Finn dachte an seinen Vater und merkte, dass Groll und Enttäuschung verflogen waren. Er hatte sich selbst etwas vorgemacht, war in eine Falle getappt, aber er hatte sich auch selbst daraus befreien können. Vielleicht hatte diese bittere Erfahrung sein müssen, um zukünftig frei von falschen Erwartungen leben zu können. Er hatte Freunde, jetzt endlich solche, denen er vertrauen
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