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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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meines Großvaters war immer voll gewesen. »Ziemlich großes
Kaliber … für Hochwild?«
    Viktor nickte. »Hirsche, Wildsauen, alles, was du willst. Probier mal.«
Er hielt mir die Waffe hin. »Na los.«
    Die beiden Männer auf dem Gang stützten sich mit verschränkten Armen auf
das Fensterbrett und spähten durch die Scheibe. Ich nahm das Gewehr. Kalt und
überraschend schwer lag es in meinen Händen. Die Kälte schien sich auf mich zu
übertragen, und ich spürte, wie sich meine Muskeln verhärteten. Ich musterte
den leicht in sich gedrehten Lauf. Auf der Mündung saß eine Lederkappe. Ich schwenkte
die Waffe ein wenig hin und her.
    »Halt.« Viktor streckte schnell die Hand aus und nahm mir das Gewehr
wieder ab. »Du darfst damit doch nicht auf Menschen zielen.«
    »Das Ding ist doch nicht etwa geladen?«
    »Natürlich nicht.« Viktor fasste an die Unterseite des Gewehrs, zog ein
kastenförmiges Magazin heraus und hielt es mir hin. »Leer. Aber das kannst du
nie wissen. Könnte ja auch noch eine Patrone im Lauf sein. Merk dir – die
Mündung muss immer weg von dir oder anderen Personen zeigen.«
    Ich nickte. Ich hatte sowieso nicht vor, jemals ein Jagdgewehr zu
benutzen.
    Viktor knöpfte den Mündungsschoner ab. »Gib mir mal eine Schachtel
Munition.« Er deutete auf die Ledertasche. »Und einen Gehörschutz. Da muss auch
noch ein zweiter für dich drin sein.«
    In der Tasche waren zwei gelbe Ohrenschützer, die wie Kopfhörer aussahen,
und mehrere kleine Pappschachteln. Ich zog eine Schachtel heraus. »Winchester«
stand darauf. Large, heavy game. Für ihre
Größe war die Schachtel ziemlich schwer. Ich reichte sie Viktor, der ihr einen
kleinen Plastikcontainer entnahm, in dem zwei Reihen silberne Patronen
steckten. Sie sahen wie mehrstufige Raketen mit roter Spitze aus.
    »Los, komm mit.« Viktor ging, das Gewehr in der einen, die Patronen und
die Ohrenschützer in der anderen Hand, zu den Hockern hinüber und setzte sich
neben einen altertümlichen Computer.
    Dann drückte er auf einen Knopf auf dem Ablagebrett. Sofort flammte ein
Licht in dem dunklen Korridor auf. An seinem Ende wurde eine Zielscheibe mit
einem Reh sichtbar. Auf der Schulter des Tieres waren konzentrische Kreise
aufgedruckt. Darüber lag ein Fadenkreuz. Viktor setzte sich auf einen Hocker
und legte den Gewehrlauf auf ein abgeschabtes Lederpolster. Dann beugte er sich
über die Waffe, kniff ein Auge zusammen und schaute mit dem anderen durch das
Zielfernrohr.
    »Hat dich der Einbrecher eigentlich recht verletzt?« Er richtete sich
wieder auf und drückte eine Taste am Computer. Ein Display leuchtete auf. Das
gleiche Reh wie auf der Zielscheibe erschien auf dem Monitor. Und das gleiche
Fadenkreuz.
    »Nein«, sagte ich. »Meinem Dickschädel ist nicht so leicht beizukommen.«
Die Luft, die aus dem Korridor kam, roch muffig und war eiskalt. Ich zog die
Wachsjacke enger um mich. »Vielleicht war es gar kein Einbrecher.«
    Viktor hob den Kopf. »Wieso? Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
    »Weiß ich nicht«, sagte ich. »Vielleicht war ich auch kein Zufallsopfer.«
    Ich berichtete ihm von den nächtlichen Geräuschen vor meiner Tür und
meinem Entschluss, den Störenfried zu stellen. Nur ein Hausbewohner konnte
Nacht für Nacht vor meiner Tür herumschleichen. Allerdings wohnte ich noch
nicht lange genug im Jagawirt, um dort jemandem in die Quere zu kommen. Ich
schaute zu dem Reh am Ende des Korridors. Das Fadenkreuz hatte mehrere Ringe.
    »Jemand aus dem Jagawirt?« Viktor schüttelte den Kopf. »Ist das dein
Ernst?«
    Ich zuckte die Achseln. »Möglich wär’s doch, oder?«
    »Hast du denn einen Verdacht?«
    Ich zögerte. »Nein, eigentlich nicht …«
    Viktor klappte einen seitlichen Hebel an der Waffe hoch, zog die
Patronenkammer heraus und lud das Gewehr. »Dann häng’s nicht an die große
Glocke«, sagte er. »Jetzt denkt der Typ, die Sache geht als missglückter
Einbruch durch und macht keinen neuen Versuch. Aber wenn du mit deiner
Mordtheorie hausieren gehst …« Er legte den Hebel mit einem Ruck wieder
nach unten. Dann drehte er am Schaft ein Rädchen, bis ein roter Punkt
aufleuchtete.
    »Vielleicht war’s ja auch jemand aus dem Ort.«
    Thurner schaute hoch. »Sag bloß, du hast dir hier schon Feinde gemacht.«
    Darüber hatte ich auch schon nachgedacht. Wollte mich jemand aus Alpbach
vertreiben? Oder sollte ich die Stelle des alten Mooslechner nicht übernehmen?
Sein Büro fiel mir ein, das von Büchern und alten

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