Jagablut
mit Natursteinen
gepflasterten Hof gruppierten. Die weißen Hausfassaden zierten Hirschgeweihe
und Schießscheiben, und an den Fenstern hingen Blumenkästen mit leuchtend
gelben Herbstastern. Vor dem linken Haus standen kleinen Tische, an die man
Gartenstühle gelehnt hatte. Eine Schiefertafel mit einem Brauereiaufdruck hing
neben der Eingangstür. Das rechte Gebäude war zum Hof hin offen und bot
überdachte Autoabstellplätze. Neben einem ferrariroten Traktor mit mannshohen
Stollenreifen standen Geländewagen in allen Größen. Wir parkten neben einem
Suzuki Jimny, der bequem auf die Ladefläche des Pick-ups gepasst hätte.
Ich stieg aus und schaute zu, wie Viktor einen langen, flachen
Plastikkoffer von der Rückbank nahm. Darunter kam eine Ledertasche zum
Vorschein, die er sich über die Schulter hängte. Er schlug die Autotür zu und
bedeutete mir, ihm zu folgen.
Auf dem Hof kam uns ein Mann in Bergschuhen, Bundhose und grünem Pullover
entgegen. An seinem Hut steckten die spatelförmigen Schwanzfedern eines
Auerhahns. Er nickte Thurner zu und tippte kurz an die Hutkrempe.
»Servus, Vickerl«, sagte er.
»Grüß dich, Sepp.« Viktor blieb stehen. »Wie geht’s deiner Senta?«
Der Mann zuckte die Schultern. »Mal schauen«, meinte er. »Ich denk, dass
es heut losgehen könnt. Frisst seit gestern nix mehr und ist ziemlich unruhig.
Könnt aber auch erst in der Nacht sein.«
Viktor nickte. »Ich lass mein Handy an.« Er hob die Hand. »Alles Gute.«
Der Jäger ging zum Parkplatz weiter und wir in Richtung des Haupthauses.
»Der Sepp hat eine gute Deutsch-Drahthaar-Hündin«, sagte Viktor und hielt
mir die Eingangstür auf. »Ist ihr erster Wurf, und sie ist über dem Termin. Ich
fürchte, sie braucht einen Kaiserschnitt.«
Kaiserschnitt . Ich dachte an den jungen Fuchs,
dessen Todesurteil ohne Zögern verhängt und vollstreckt worden war. Aber der
Fuchs war ja nur ein krankes Wildtier gewesen und kein teurer Jagdhund. »Na,
hoffentlich nicht.«
Wir gingen an einem Pförtner und einer Anschlagtafel mit Fotos von
Blockhütten, Geländewagen und schlappohrigen Hunden vorbei. Dann bogen wir in
einen langen Gang ein, dessen eine Seite zur Hälfte verglast war. Dahinter
konnte ich mehrere hell erleuchtete Kabinen sehen, in denen Männer mit Gewehren
hantierten. Hin und wieder hörte ich einen dumpfen Knall durch die
schallgedämpften Scheiben. Zwei Männer verließen gerade einen Schießstand und
hielten uns die Tür auf.
In der Kabine war es kalt, und ein schwefeliger Geruch lag in der Luft.
Viktor stellte die Tasche und den Koffer auf einen Holztisch gleich neben der
Tür. Sonst war der Raum leer, bis auf zwei Hocker vor einem Ablagebrett an der
gegenüberliegenden Seite. Die obere Hälfte der Wand fehlte. Dahinter lag ein
langer dunkler Korridor, aus dem kühle Luft strömte.
»Kennst du dich ein wenig mit Gewehren aus?« Viktor öffnete den Koffer.
Auf einem Polster aus grauem Schaumstoff lag darin ein Jagdgewehr.
»Nein«, sagte ich. Die Holzteile der Waffe glänzten wie poliert, und über
den Schaft zog sich das dunkle Adernetz der Maserung. Ein geflochtener
Lederriemen schlängelte sich um den lang gezogenen Lauf. »Mein Großvater war
Jäger.«
»Der Tiroler Landarzt?« Er nahm das Gewehr aus seinem Bett. »Und dein
Vater? Oft haben die Herren Primare doch eine Eigenjagd.« Sein Ton hielt genau
die Waage zwischen Spott und Interesse. Wahrscheinlich überlegte er, ob sich
ein gewisses Engagement bei mir lohnte, im Hinblick auf unsere Eigenjagd.
»Leider nicht«, sagte ich. »Meine Familie hat nur immer am Sonntag das
Wild vom Opa verspeist. Sonst lieben wir Tiere.«
Thurner grinste. »Ich doch auch«, sagte er. »Schließlich bin ich
Tierarzt.«
Zwei Männer kamen den Gang entlang und blieben hinter unserem Fenster
stehen. Einer der beiden deutete auf mich und sagte etwas zu seinem Nachbarn.
Der lachte daraufhin. Ich drehte den beiden den Rücken zu.
»Das ist eine 2.70er.« Thurner ließ die Hand über den Schaft gleiten.
»Steyr Mannlicher.« Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht.
»Die Marke kenne ich.« Mein Großvater hatte mir die verschiedenen Modelle
erklärt. Den Sonntagmorgen verbrachte er regelmäßig auf der Jagd oder mit dem
Putzen seiner Gewehre, während meine Großmutter ebenso regelmäßig ohne ihren
Mann zur Kirche gehen musste. Die Bemerkungen des Pfarrers und der anderen
Dorfhonoratioren waren ein unerschöpfliches Thema beim selbst geschossenen Sonntagsbraten.
Aber die Praxis
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