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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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er
lag wirklich im Bett. Nach drei Tagen in den Bergen schlief er sicher wie ein
Murmeltier. Ich kehrte zum Telefon zurück.
    »Herr Holzinger? Ich kann den Wirt leider nicht wecken«, sagte ich. »Aber
sobald ich ihn sehe, sage ich ihm, dass Sie angerufen haben.«
    Am anderen Ende war Schweigen, sodass ich schon dachte, Holzinger hätte in
der Zwischenzeit aufgelegt. Doch dann sagte er: »Der soll sich gefälligst
gleich melden, hören S’?« Er klang ziemlich verärgert.
    »Das wird er sicher …« Ich hörte nur noch den Besetztton.
    Wenghofer stieg bedächtig die Treppe herab, die Gummispitze seines
Stockes pochte dumpf auf die Holzstufen. Unten angekommen, tappte er in
Richtung Gaststube. Sein Schritt war unsicher, und die Hand, mit der er sich
auf seinen Stock stützte, zitterte.
    Der Auerhahn reckte seinen Krummschnabel über dem gesträubten Kehlbart,
das blaugrüne Brustschild schillerte, und die breiten Schwanzfedern waren zum
Rad geschlagen, als ob der Vogel noch im Tode seinen Balztanz fortsetzte.

SIEBEN
    »Hey.« Ich hatte meinen Landrover
gerade auf dem Vorplatz abgestellt, als Viktor Thurner hinter dem Heck des
Wagens auftauchte. Er wedelte mit einem Paar Handschuhe. Die Mittagssonne
zauberte Goldreflexe auf sein blondes Haar, er trug Jeans und ein kariertes
Flanellhemd. In der anderen Hand hielt er eine grüne Daunenweste. »Du bist ja
noch am Leben.«
    »Oh, äh, ja … klar.« Ich wünschte, ich hätte mir heute Morgen mehr
Mühe mit meinem Haar gegeben. Mein dicker Pullover und die ausgebeulte Jeans
waren voller Staub. Seit acht Uhr in der Früh hatten Miranda und ich in der
Ordination herumgeräumt. Die Sport-Ambulanz war beschlossene Sache, und ich
trieb den Ausbau der Praxisräume voran. Hastig versteckte ich meine schmutzigen
Hände in den Hosentaschen. »Was machst du denn im Jagawirt?«
    »Mittags esse ich meistens im Wirtshaus.« Viktor schlüpfte in die
Steppweste. »Meine Kochkünste sind eher bescheiden. Kannst dich gern bei
Gelegenheit davon überzeugen.« Er hob die Brauen. »Ich hab übrigens bei der
Gemeinderatssitzung von deinem Überfall gehört. Was war denn da los?«
    »Aha, ich bin also schon ein Thema im Gemeinderat.« Ich schlug die
Fahrertür zu, zog die Fernbedienung aus der Tasche und drückte auf die
Zentralverriegelung. »Alles halb so schlimm.« Wenn schon in der Alpbacher
Amtsstube über den Vorfall geredet wurde, war es wohl besser, sich bedeckt zu
halten. Gerüchte machten im Ort schnell die Runde, und als neue Ärztin und
Respektsperson konnte ich mir keine Opferrolle leisten. Mein Verdacht, ein
Mitbewohner könnte es auf mich abgesehen haben, kam mir bei Tageslicht betrachtet
wie ein Hirngespinst vor. Ich zuckte die Schultern. »Ein Einbrecher, meint die
Polizei.«
    Viktor klopfte mehrmals mit dem Schuh auf den Asphalt. Er trug braune
Wildlederstiefel, die ziemlich teuer aussahen. »Ein Hoteldieb«, sagte er. »Ja,
das habe ich auch gehört.« Sein Blick glitt über meine Arbeitskluft. »Wie
geht’s dir eigentlich bei uns? Hast du schon Anschluss gefunden?«
    »Zurzeit hindert mich meine Arbeit etwas am aufregenden Gesellschaftsleben
von Alpbach.« Es sollte wie ein Scherz klingen. Doch tatsächlich hatte ich
keine Ahnung, wie ich die Mauer aus freundlicher Distanz, auf die ich überall
im Ort stieß, durchbrechen könnte. Von privaten Kontakten wagte ich nicht
einmal zu träumen. »Aber ich habe schon eine vielversprechende Einladung zum nächsten
Kirchenbasar bekommen. Rumänische Waisenkinder.« Ich hörte selbst, wie
gezwungen mein Lachen klang.
    Viktor brummte etwas. Dann grinste er. »Hast du heute noch was vor?«
    Ich schüttelte den Kopf. Warum hatte ich bloß den alten irischen Aranpullover
angezogen? Damit würde ich mich sogar im Alpbacher Dorfcafé Guglhupf blamieren.
    »Dann komm doch einfach mit zum Schießstand«, sagte Viktor.
    In der alten Linde waren zwei Raben in Streit geraten. Ihr lautstarkes
Gezeter überlagerte seine letzten Worte.
    »Was?« Ich war nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Hatte
er wirklich Schießstand gesagt?
    »Ich bin auf dem Weg ins Jagdzentrum«, sagte Viktor und nickte eifrig. Es
schien sich um einen netten Ausflug zu handeln. »Ich hab ein neues Gewehr und
will ein paar Probeschüsse machen.« Er zog den Reißverschluss seiner Weste
hoch. »Na los, komm mit. Ich lass dich auch mal schießen.«
    Das keckernde Gezänk der Raben klang wie Gelächter. Willkommen im Wilden
Westen von Österreich. Lud man hier

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