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Jagablut

Jagablut

Titel: Jagablut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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nur der Mann mit der grauen Jacke kam herein. Die beiden anderen
lachten und winkten uns zu, ehe sie ihren Beobachtungsposten aufgaben und in
Richtung des Ausgangs loszogen. Der Dicke warf einen Blick auf die Anzeige und
murmelte anerkennende Worte. Dann hielt er mir seine Pranke hin.
    »Holzinger«, sagte er. »Wir haben miteinander gesprochen.«
    Sofort fiel mir das Telefonat in der Eingangshalle des Jagawirt wieder
ein. »Herr Holzinger, ja klar.«
    Ich gab Viktor das Gewehr, der sofort die Patronenhülse aus der Kammer
holte und in den Plastikeimer warf. Dann legte er die Waffe mit offenem Schloss
neben den Koffer auf den Tisch.
    »Muss noch ein wenig auskühlen«, erklärte er.
    »Was is’ mit dem Vinzenz?« Holzingers Gesicht war gerötet.
    »Dem Herrn Steiner?« Ich hatte meinen Wirt seit seiner Rückkehr noch
immer nicht zu Gesicht bekommen. »Keine Ahnung. Soll er denn krank sein?« Ich
warf Viktor einen Blick zu. »Du warst doch heute Mittag im Jagawirt essen.«
    Viktor hob die Schultern. »Erkältet wird er sich haben bei dem Sauwetter,
der alte Depp.« Er wandte sich an Holzinger. »Das wirst wohl selbst am besten
wissen. Bist doch die letzten Tage mit ihm am Berg herumgekrochen.«
    Holzinger zog seine Hose hoch, die trotz des Gürtels über seinen Kugelbauch
nach unten gerutscht war. Er zwinkerte ein paarmal, dann sagte er: »Soll das
heißen, der Vinzenz war nicht daheim diese Woche? Ja – wo war er dann?«
    Viktor tippte mit dem Zeigefinger auf den Gewehrlauf. »Na, auf der Jagd,
denk ich.« Anscheinend war die Waffe genügend ausgekühlt, denn er nahm sie hoch
und knöpfte den Mündungsschoner fest. »Mit dir.«
    »Also, mit mir nicht.« Holzinger schüttelte den Kopf. »Eine ganze Stund’
hab ich auf ihn am Treffpunkt gewartet, und wie er nicht gekommen is’, bin ich
allein aufgestiegen. Ich hab noch gedacht, er hätt mir wenigstens Bescheid
geben können, dass er nicht mitgeht. Allein ist’s da oben hübsch ungemütlich.«
    »Ja, haben Sie denn nicht versucht, ihn auf dem Handy zu erreichen?«,
fragte ich. Hinter mir schnappten die Verschlüsse des Gewehrkoffers.
    »Hätt ich probiert«, sagte Holzinger. »Aber sein Handy war die ganze Zeit
ausgeschaltet.« Er schnaufte wieder asthmatisch. »Das gibt’s einfach nicht.
Seit bald fünfzig Jahren geh ich mit dem Vinzenz zur Jagd. Der hätt mir
Bescheid gegeben.« Sein Blick irrte durch den Raum. »Dem is’ was passiert.«
    Steiner hatte sich über die sorglosen Janssens aufgeregt, die ohne eine
Nachricht zu ihrer Bergtour aufgebrochen waren. »Wer könnte denn etwas über den
Verbleib von Herrn Steiner wissen?«
    Ich fing einen Blick von Viktor auf, der bereits mit dem Gewehrkoffer in
der einen und der Patronentasche in der anderen Hand an der Tür lehnte.
    »Niemand«, meinte er. »Der Herr des Jagawirts mag grundsätzlich keine
neugierigen Fragen.«
    Mir war, als läge ein Doppelsinn hinter seinen Worten, doch ich konnte
nicht sagen, welcher.
    »Wo habt’s euch denn treffen wollen?«, fragte Viktor, an Holzinger
gewandt.
    Der schluckte. »Beim Geierhäusl.«
    Viktor reckte den Kopf vor, als habe er nicht richtig verstanden. »Wo?«
    »Bei der Hütte halt.« Holzinger trat von einem Fuß auf den anderen. »Um
halb sieben. Aber der Vinzenz is’ nicht gekommen. Halb acht bin ich dann weiter
aufs Geiereck. Bei der Gamsjagd muss man eh nicht so früh dran sein.«
    »Halb sieben«, sagte Viktor nachdenklich. »Es sind etwa eineinhalb
Stunden Aufstieg. Dann muss er spätestens um fünf vom Gasthof aufgebrochen
sein.«
    Der Rucksack in der Halle fiel mir ein, die Bergschuhe und der Stecken,
der an der Wand lehnte. Das war an dem Tag gewesen, als ich Viktor
kennengelernt hatte. Am nächsten Morgen hatte mich lautes Rumpeln in den
Privaträumen des Wirtes geweckt. Dann war die Wohnungstür ins Schloss gefallen.
Es war fünf Uhr gewesen.
    »Ist er auch«, sagte ich. »Ganz sicher. Ich hab gehört, wie er gegangen
ist.«
    Die Männer sahen sich an. Das Schweigen dehnte sich.
    »Vielleicht hat’s den Vinzenz jetzt am Ende doch noch erwischt«, meinte
Holzinger endlich. »Irgendwo am Berg.«
    Ein kalter Hauch schien aus dem nun wieder im Dunkel liegenden Korridor
zu kommen. Ich musste an Hansi auf ihrem Krankenlager denken. Der Vinzenz kommt nicht wieder . Hatte sie das Verschwinden ihres
Bruders geahnt? Ich hörte geradezu ihren Singsang. Die Edelweißfee erscheint den Jägern und Wanderern im weißen Gewand. Aber Vinzenz Steiner kannte die Gegend

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