Jagd auf Mrs. Pollifax
vornahmen, um nach ihrem roten Wagen Ausschau zu halten. Es muß für sie um etwas ungeheuerlich Wichtiges gehen, dachte Mrs. Pollifax. Es sind gnadenlose Kerle! Was würden sie mit Kadi tun, falls sie sie erwischten? Was wollen sie von ihr?
»Kadi!« sagte sie leise. »Kadi, wachen Sie auf, sie werden gleich unseren Wagen entdecken!«
Das Mädchen war sofort hellwach. »Wir müssen schnell weg!« drängte Mrs. Pollifax. Kadi schlüpfte bereits in ihre Tweedjacke, als Mrs. Pollifax nach dem Telefon griff und den Empfang anrief. »Bitte rufen Sie uns ein Taxi - schnell - ein Notfall.«
»Notfall?« murmelte eine verschlafene Stimme. »Es muß uns zum nächsten Krankenhaus bringen beeilen Sie sich!«
Endlich klang die Stimme etwas wacher. »Taxi - ich ruf sofort an.«
»Wann kann es hier sein?«
»In drei bis fünf Minuten, nehme ich an.« Mrs. Pollifax hoffte inbrünstig, daß er recht hatte. Kadi starrte sie mit offenem Mund an. »Was, in aller Welt...?«
»Sie haben eine akute Blinddarmentzündung«, erklärte Mrs. Pollifax. »Holen Sie Ihren Rucksack. Ich trage ihn. Beugen Sie sich nach vorn und drücken Sie beide Hände auf den Bauch, als krümmten Sie sich vor Schmerzen!«
»Aber warum? Was ist mit Ihrem Wagen?«
»Schauen Sie aus dem Fenster!« wies Mrs. Pollifax sie an. »Die Burschen werden ihn gleich gefunden haben. Nein, sie haben ihn bereits entdeckt! Sie leuchten mit einer Taschenlampe aufs Nummernschild!«
»O Gott!« entfuhr es Kadi erschrocken.
Mrs. Pollifax öffnete die Tür. »Schnell! Stützen Sie sich auf mich! Seien Sie schwerkrank, Kadi!«
»Ich fühle mich tatsächlich krank«, keuchte Kadi, während sie die Stufen hinunterhasteten.
5
Es war dreiundzwanzig Uhr dreißig, doch Carstairs saß immer noch in seinem Büro und arbeitete. Er war ganz allein. Bishop schlief vermutlich bereits oder machte sich irgendwo einen schönen Abend. Carstairs schloß gerade seine Arbeit ab, als er hörte, daß das Faxgerät eine Mitteilung ausspuckte - vermutlich der morgige Tagesbericht der Abteilung. Er gähnte und wollte das Fax ignorieren, doch nach kurzem Überlegen griff er doch danach und überflog es. Da war das übliche Resümee der eingegangenen Meldungen der Außendienstmitarbeiter, das er übersprang, während er sich etwas interessierter den Kurzberichten der Internen zuwandte, die häufig pikanten Klatsch aus aller Welt enthielten. VERTRAULICH, las er: FBI erfolglos beim ersten Versuch der Übergabe des Lösegelds für Bidwell: laut geheimen Informationen aus gut informierten Kreisen wurden fünfzig Millionen Dollar gefordert ...
»Die beliebten alten ›gutinformierten Kreise‹...«, murmelte Carstairs. Fünfzig Millionen waren verdammt viel Geld, wahrscheinlich der bisherige Rekord. Jemand hielt Bidwell für äußerst wertvoll. Sein Blick wanderte zur Meldung der NahostAbteilung: Iran. Zwei Europäer trafen mit Privatflugzeug in Teheran ein und wurden mit einer Regierungslimousine abgeholt. »Gut informierte Kreise« identifizierten sie als Jule Romanowitsch und A. Le clerc. Carstairs gähnte aufs neue. Er legte den Bericht zur Seite und stand von seinem Schreibtisch auf, um heimzugehen. Plötzlich ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen und griff erneut nach den Meldungen. Die Namen Romanowitsch und Leclerc waren ihm vage bekannt vorgekommen, und er fragte sich, weshalb. Stirnrunzelnd lehnte er sich zurück und bemühte sich, an nichts zu denken, denn das half ihm manchmal, sein Unterbewußtsein zu aktivieren. Tatsächlich hielt er es für zuverlässiger als Bishops Notizen, wenn er an drei und mehr Projekten gleichzeitig arbeitete. Ich hab's! erinnerte er sich. Es ging um die FBIAnfrage wegen der Bidwell-Entführung. Er griff nach den schriftlichen Unterlagen. Da waren sie: dieselben Namen in dem Terminkalender, den Bidwell in seinem Schreibtisch eingeschlossen hatte! Ganz sicher die gleichen Männer, mit denen Bidwell mehrmals in Paris zusammengetroffen war: Leclerc und Romanowitsch, wie ein Komikerpaar. Ob Mornajay wohl noch oben in seinem Büro war? Carstairs wählte seine Nummer, aber niemand antwortete. In Europa war jedoch bereits Morgen. Er ließ sich mit Bernard von der Interpol in Paris verbinden und hatte ihn umgehend am Apparat.
»Bernard«, sagte er, »ich würde gern wissen, ob und was Sie über einen Jule Romanowitsch und einen Achille Leclerc haben.« Nach einem Blick auf seine Liste, fügte er hinzu: »Und über einen Roger Desforges.«
»Hm«, brummte Bernard.
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