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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.M. O'Donnell
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im geringsten mehr auf mich an. – Es liegt«, fügte er hinzu, und es schien, als hätte sich seine ganze Stimmung in Verwirrtheit gewandelt, »eher in den Händen Gottes, wer immer das auch sein mag. Ehrlich – das hat jetzt nichts mehr mit Wissenschaft zu tun – und hatte es auch nie, meine arme Della. Wissenschaft ist darin überhaupt nicht enthalten, bloß billiges Geschwätz, billige Tricks, faule Ausreden; ein Augenblinzeln hier, etwas Herumgehopse da, alles nur auf ein Ende ausgerichtet, das drastischste, weil wir ihm keinen Namen geben. Aber genug. Genug hiervon.«
    Dann berührte er sie, nur ein einziges Mal – ein widerwilliger Klaps, ohne Wärme, ohne echte Bedeutung dahinter –, und entfernte sich schnell von ihr, leicht humpelnd; ein einfältiger, linkischer, dummer Mann mit Drähten, die ihm vom Knie herabbaumelten und einem (wegen dem fehlenden Ohr) sonderbar geneigten Kopf. Je weiter er sich von Della entfernte, desto älter erschien er ihr.
    Er hat noch nicht einmal nach Geld gefragt, dachte sie leer, obwohl er sogar gesagt hatte, daß die Bezah lung nach getaner Arbeit zu erfolgen hat. Ich muß daran denken, ihn sofort zu bezahlen. Das wird dann alles in Ordnung bringen. Wenn ich ihn bezahle, wird die Operation erfolgreich gewesen sein.
    Sie bildete sich ein, man rolle Archers Bett den Gang hinunter und sie vernehme das Quietschen, höre das Geräusch seiner eigenen Schritte hinter sich, obgleich das unmöglich war. Er wurde wahrscheinlich gerade wieder mit den Kabeln verbunden.
    Und dann, nach hinten blickend, sah sie Perkins. Er kam den Korridor entlang und hielt auf sie zu. Sein Mund stand weit offen. Er sah aus wie ein Mann, der nach langer, langer Zeit endlich einen Blick von außen in die Hölle selbst geworfen hatte. Er stolperte blindlings auf sie zu, mit den Händen wild in der Luft gestikulierend, die Augen weit aufgerissen und starr, eingesäumt von seinem Gesicht, und ohne die Absicht, auf das Leuchten ihrer Augen einzugehen.
    »Gott«, sagte Perkins, »Gott!«
    Und dann, ohne ersichtlichen Grund, ließ sie zu, daß er sie umarmte. Das Gleiten seiner Hände über ihren Körper, das verschmelzende Echo seiner Stimme in ihrem Haar …

 
Zehn
     
    DRINNEN:
    Es hatte mit dieser Frau zu tun.
    Sie hatte vor, irgendwohin zu gehen, und es war seine Aufgabe (seine Dichteraufgabe), sie davon abzuhalten. Die Wächter machten sehr detaillierte Angaben, was ihr Aussehen anbelangte und zu welchen persönlichen Eigenheiten sie neigte; über die Orte, an denen sie sich auf dem Weg, wohin auch immer sie ging, aufhalten könnte – aber sie hatten nichts über ihr Vorhaben zu sagen. Darüber erfuhr er kein Wort von ihnen. Den einzigen Punkt, den sie klärten, war der, daß es seine Aufgabe war, sie zu erwischen, sie aufzuhalten.
    Allerdings nicht vor dem wirklichen Ende.
    Auch darüber waren sie sehr ausführlich. Wenn er in die Lage kam, sie irgendwo auf ihrem Weg aufzuhalten würde das in keiner Weise gut sein. Für sie.
    Er hatte ihr auf den Fersen zu bleiben und sie wissen zu lassen, daß auch er auf dem Plan war, durfte sie aber nicht vor dem wirklichen Ende einfangen. Es würde einer Jagd ähneln, erklärten sie. Er, der Sucher, würde den Weg des Opfers des öfteren kreuzen, aber anstatt ihm ein Ende zu bereiten, würde er sie entkommen lassen.
    Der Dichter wollte wissen, ob dies eine Art Spiel war, das zur Belustigung der Wächter diente. Sie verneinten; ihr Vorhaben wäre ernst gemeint. Darüber hinaus wollten sie ihm nichts weiteres erklären.
    Nach dem, was mit ihm geschehen war, befand er sich nun im Zustand eines krampfhaften Willens zur Zusammenarbeit. Der Mist war nur der, daß sie die Dinge jetzt etwas leichter für ihn machten als zu der Zeit, in der er angenommen hatte, daß Lyrik die Antwort seines Problems sei. Sie ließen ihn immer noch gehörige Zeit allein, und wenn sie bei ihm waren, überschütteten sie ihn mit Einzelheiten, sagten, was sie von ihm verlangten und waren dabei kaum liebenswürdiger als vorher. Es war, als hätte er keinerlei Beziehungen zu ihnen.
    Nicht daß er irgendeine Beziehung gewünscht hätte. Er wollte alleine gelassen werden, um sein Schicksal in Ruhe zu überdenken. Wenn er sein Ziel nicht mit dem Schreiben von Gedichten erreichen konnte, würde er es dadurch erreichen, indem er einer Frau folgte; das machte für ihn keinen Unterschied. Das wichtigste an der Sache war, daß er sich gegenüber Würde und ein Gefühl der Selbstachtung aufrecht

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