Jagdfieber
zwischenzeitlich mehr Legenden, als wuchernder Efeu an Hauswänden entlangwuchs, und dieses Geflecht aus Lügen und halbwahren Behauptungen war so dicht geworden, dass kaum einer sagen konnte, wie er wirklich war. Sie wollte die Antwort darauf ohnehin nicht wissen. Lieber sah sie ihn als liebenden, wenn auch oft überbesorgten Vater, der ein wachsames Auge auf sie hielt.
Endlich durchbrach er sein Schweigen. „Die Frauen hier sind tatsächlich sehr schön, aber das ist nicht der Grund, warum sich meine Anwesenheit hier weiter hinzieht.“
„Wenn es keine Frau ist, was hält dich dann so lange in Italien?“
Er seufzte ungeduldig. Ihre Fragerei ging ihm wohl auf die Nerven.
„Paige, sei nicht so neugierig. Hier drehen sich die Mühlen eben ein wenig langsamer als bei uns daheim. Ich sage dir schon rechtzeitig Bescheid, wann du mit meiner Rückkehr rechnen kannst.“
„Wie du meinst.“ Sie war nicht sauer über seinen leicht barschen Tonfall und meinte beschwichtigend: „Sei nicht böse, Dad. Ich habe mich einfach nur gewundert, das ist alles. Und ich mache mir Sorgen um dich.“
„Das brauchst du nicht.“
Gänzlich beruhigt war sie nicht, da sie spürte, dass ihn etwas anderes in Italien hielt als seine Geschäfte. Aber da er offensichtlich nicht mit ihr darüber reden wollte, musste sie wohl oder übel mit seiner offiziellen Version vorliebnehmen.
„Also gut, wenn du das sagst, dann glaub ich dir das. Aber tu mir den Gefallen und lass die Finger von den hübschen Mafiosi-Töchtern. Ich würde dich gerne in einem Stück wiedersehen.“
Er lachte und klang wieder wie immer. „Keine Sorge, ich pass schon auf, dass ich nicht unter die Räder gerate. Achte du lieber auf dich. Und Paige …“
„Ja?“
„Ich hab dich lieb, Krümel.“
Der alte Kosename aus Kindertagen trieb ihr die Tränen in die Augen. „Ich hab dich auch lieb, Daddy“, antwortete sie mit erstickter Stimme.
Die Antwort war ein leises Klicken in der Leitung, als er auflegte.
Nachdem sie den Entschluss gefasst hatte, Victor erst am nächsten Tag anzurufen, um nicht übereifrig zu erscheinen, war sie unter die Dusche gehuscht und lag nun wieder auf dem Bett. Sie schloss die Augen und beschwor sein Bild herauf. Groß, breit, ein Wall aus heißem Fleisch und sehnigen Muskeln, trotz seiner auf den ersten Blick eher hageren Gestalt. Wie würde es sich anfühlen, wenn er zwischen ihren Schenkeln läge? Heiß und begierig darauf, ihr alles abzuverlangen, was sie zu geben hatte?
Bestimmt war er ein kompromissloser Liebhaber, der sich von nichts und niemandem aufhalten ließ. Allein die Vorstellung, sich nackt und wehrlos unter seinem kraftvollen Körper zu winden, ließ sie innerlich erbeben. Nicht mal Jason hatte sie in dieser Weise angerührt, obwohl er – oberflächlich betrachtet – die attraktiveren Gesichtszüge besaß.
Victors Schönheit war eher herb, geprägt von roher Männlichkeit, kombiniert mit militärisch kurzgeschnittenem dunklen Haar und kantig-maskulinen Zügen, die von seinem stählernen Blick dominiert wurden. Seine Augen oder vielmehr sein stechender Blick wirkte besonders erregend. Er ließ ihre gesamte Weiblichkeit zu einem kleinen harten Kern zusammenschmelzen, der wild pochend zwischen ihren Schenkeln ruhte. Victor schaffte es, dass sie sich lebendiger fühlte als je zuvor in ihrem Leben. Kurzum: Er war unglaublich beeindruckend.
Paige konnte sich gut vorstellen, wie er sich in Tarnkleidung und mit einer Machete bewaffnet den Weg durch dichtes Dschungelgebiet freihackte oder über dreckiges Erdreich robbte, während er ganz nebenbei ein paar Bodenmienen entschärfte. Kaum zu glauben, dass dieser Mann ein britischer Gutsbesitzer sein sollte. Unter so jemandem hatte sie sich stets einen gediegenen Dickwanst vorgestellt, der mit seinen wulstigen Griffeln die hübschen Dienstmädchen betatschte. Doch Victors maskulines Auftreten bedeutete auch, dass er sich von einem Schmollmund und ein paar Brüsten nicht blenden ließ und sie sich anstrengen musste, um ihn zu verführen. Sonderlich entmutigend fand sie das jedoch nicht. Victor Seymour war fällig, er wusste es nur noch nicht!
Mit dieser Einstellung im Herzen warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Kurz vor achtzehn Uhr und damit höchste Zeit, sich etwas zu essen zu besorgen. Sie dachte daran, sich etwas aufs Zimmer bringen zu lassen, doch die Stille hier drin machte sie wahnsinnig. Kurzentschlossen erhob sie sich und beschloss, dem hauseigenen
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