Jagdfieber
Restaurant einen Besuch abzustatten. Der Abend war noch jung. Wer wusste schon, was er noch bringen würde.
Kapitel 3
Zwei befriedigende Stunden später lief er durch die gutbesuchte Hotelhalle und fühlte sich ausgelaugter als nach einem ausgiebigen Waldlauf. Er sehnte sich danach, endlich nach Hause zu kommen, um sich die letzten Stunden vom Körper zu waschen, doch bevor er durch die Tür ins Freie verschwinden konnte, durchbrach ein lauter Ruf die gedämpfte Atmosphäre im Foyer.
„Hey, Victor, warten Sie!“
Was zur Hölle …
Er drehte sich blitzartig um und erblickte Paige Turner, die seinen Namen quer durch die Hotelhalle gebrüllt hatte. Sie stand diagonal auf der anderen Seite und wedelte wie wild mit der Hand hin und her. Victor starrte sie ungläubig an. Sie befanden sich doch hier nicht auf einem ägyptischen Basar! Dort war so ein lautstarkes Geschrei vielleicht vertretbar, aber nicht in einem der edelsten Hotels, die England zu bieten hatte. Mit wachsendem Unverständnis aufgrund ihres schlechten Benehmens beobachtete er, wie sie näher kam und dabei eine geradezu unverschämte Lässigkeit ausstrahlte. Während er sich gedanklich noch mit ihrem flegelhaften Auftreten auseinandersetzte, blieb sie vor ihm stehen und grinste ihn heiter an.
„Victor, wo wollen Sie denn so eilig hin?“
Möglichst weit weg von dir …
Victor musterte ihre Gestalt von Kopf bis Fuß und fühlte eine merkwürdige Kombination aus Empörung und Faszination.
„Nun, eigentlich hatte ich vor, nach Hause zu fahren“, antwortete er schließlich, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Immerhin war er ein Gentleman, auch wenn er sich in den letzten zwei Stunden sicher nicht wie einer benommen hatte.
„Mann, dann hab ich ja mal richtig Glück, dass ich Sie noch erwische.“ Sie senkte den Blick abwärts und hob einen ihrer zierlichen Füße, die in Pumps mit mörderisch hohen Absätzen steckten. „Stellen Sie sich nur vor, ich hätte Ihnen in den Dingern durch London hinterherjagen müssen.“
Er konnte nicht darüber lachen, sie hingegen schon. Kein perlendes Plätschern, wie es von den meisten Frauen in seinem näheren Umfeld eingesetzt wurde. Es klang eher wie das wilde Rauschen eines herabstürzenden Wasserfalls. Genau wie ihre ganze Person war es viel zu laut, um noch als vornehm durchzugehen, und sie erregte die ungeteilte Aufmerksamkeit eines älteren Pärchens, das sich in einer Sitzgruppe ganz in der Nähe niedergelassen hatte und sich tuschelnd über diesen Schreihals ausließ. Unangenehm berührt sah er sich um, weil außer den beiden noch weitere Anwesende mit neugierigen, teils pikierten Blicken zu ihnen rüberstarrten. Allerdings musste er schnell feststellen, dass es lediglich die Frauen waren, die sich naserümpfend über Paige echauffierten, während die Männer eher an hechelnde Hündchen erinnerten. Heraushängende Zungen und sabbernde Speichelfäden inklusive. Kein Wunder, so wie sie rumlief. Victor streifte Paige mit einem möglichst desinteressierten Blick. Sie trug ihre Reize sehr offenherzig zur Schau, obwohl das schwarze Kleid auf den allerersten Blick sogar recht züchtig wirkte. Bis man einen Blick auf den Ausschnitt riskierte. Der Stoff fiel locker über ihren Oberkörper, wurde aber in der Mitte nicht von Knöpfen zusammengehalten, sondern bestand lediglich aus einem extrem tiefen, überlappenden V. Immer dann, wenn sie sich bewegte, sah man einen schmalen Streifen heller Haut aufblitzen. Einen BH oder etwas Derartiges konnte er nicht erkennen, und er begann sich ernsthaft zu fragen, ob sie überhaupt etwas darunter trug.
„Ich habe keinen an“, fiel sie hörbar amüsiert in seine Gedanken ein.
Er blinzelte einige Male kurz hintereinander, schluckte und rang möglichst unauffällig nach Luft.
„Bitte?“
„Einen BH“, erklärte sie derart geduldig, dass selbst er zu glauben begann, er wäre schwer von Begriff. Sie schien sich an seinem Unbehagen geradezu zu weiden, denn sie setzte sofort nach. „Das haben Sie sich doch gerade eben gefragt, oder? Ob ich einen trage.“
Victor hüllte sich in vornehmes Schweigen und zog es vor, diese Bemerkung nicht zu kommentieren, doch sie ließ sich nicht täuschen und grinste ihn dreist an.
„Wie eben erwähnt: Die Antwort lautet Nein“, erklärte sie ohne die geringste Spur von Verlegenheit. „Falls Sie mir nicht glauben, können Sie gerne selbst nachsehen.“
Ihr vertraulicher Unterton ließ sämtliche Alarmglocken in seinem Kopf
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