Jagdfieber
sehr unangenehm empfand, denn einen Moment später saß sie wieder aufrecht auf seinem Schoß. Auge in Auge mit ihm. Ihr ganzer Fokus war auf ihn ausgerichtet, alles andere versank in trübem Nebel, als würde sie durch Milchglas schauen. Ihr Gehörsinn funktionierte allerdings noch bestens. Sie hörte das Pfeifen des Windes, der jaulend gegen die Hausfassade prallte, das Pendel dieser komischen altmodischen Uhr, seinen schweren Atem, der synchron zu ihrem aus seinem Mund entwich und sich mit ihrem vermischte. Nach einer gefühlten Ewigkeit klärte sich ihr Blick wieder. Paige starrte in sein statuenhaft schönes Gesicht. Jede noch so winzige Unvollkommenheit fiel ihr auf, und sie versuchte, sich jede davon einzuprägen. In einem Anflug von Zärtlichkeit, sie hatte keine Ahnung, wo der herkam, strich sie ihm sanft die in die Stirn fallenden dunklen Strähnen zurück. Er wirkte überrascht, trotzdem konnte sie nicht aufhören, ihn behutsam anzufassen, sein Gesicht mit ihren Fingerkuppen zu erforschen und die Linien mit ihren Berührungen zu glätten.
„Ich wusste es, vom ersten Augenblick an“, flüsterte sie mit wachsender Euphorie.
„Was wusstest du vom ersten Augenblick an?“
„Dass wir wunderbar zusammenpassen“, erwiderte sie und sah ihm dabei fest in die Augen.
„So, tun wir das … hm, wie interessant“, antwortete er mit einer gewissen Schärfe.
Das irritierte sie nun doch ein wenig. Um sich selbst und vor allem ihn aus dieser komischen Stimmung zu reißen, tat sie das, wonach sie sich schon seit ihrer ersten Begegnung sehnte. Sie küsste ihn auf den Mund, und dieses Mal tat er nichts, um das zu verhindern. Flüssige Wärme floss durch ihre Adern, und dieses Gefühl, das gerade wie zäher Sirup in sie tropfte, war so süß wie Zuckerwatte. Köstlich und schmelzend. Sie küsste ohne Zunge, genoss einfach nur das Gefühl, ihm auf diese unschuldige Weise nahe zu sein, bevor sie den Kuss vertiefte. Zuerst machte er keine Anstalten, sich ihr zu öffnen, als sie mit der Zungenspitze zwischen seinen geschlossenen Lippen entlangstrich, aber wenigstens schob er die Hände an ihren nackten Rücken, um in sanften Kreisen darüberzustreicheln. Es kitzelte, schmetterlingszarte Reizimpulse eilten über ihre Haut und weckten die Gier nach mehr. Sofort drückte sie ihren Mund fester gegen seinen, spürte, wie er Stück für Stück nachgab, erst dann drang sie zögernd in seine Mundhöhle ein. Er reagierte umgehend. Victor nahm ihre Zunge in sich auf, kam ihr sogar entgegen und ließ sich auf das süße Spiel ein. Paige seufzte erleichtert und küsste ihn tiefer und inniger als jemals einen anderen Mann zuvor. Bis auf wenige Ausnahmen hatte sie dieser Form der Intimität nie viel abgewinnen können. Aber mit Victor, meine Güte, ihn hätte sie wirklich stundenlang küssen können. Exquisite Empfindungen durchströmten sie von Kopf bis Fuß, sein Geschmack berauschte sie und weckte unzählige Sehnsüchte in ihr. Sie wollte Victors Küsse nie wieder missen, morgens an seiner Seite aufwachen und beobachten, wie das diffuse Licht der frühen Morgensonne seinem harten Gesicht weiche Konturen verlieh. Sie wollte miterleben, wie er die Lider aufschlug, sie anlächelte und die Arme nach ihr ausstreckte. Sie wollte …
Als ihr klar wurde, auf welch gefährliches Terrain sie sich gefühlsmäßig begab, geriet sie Panik und versuchte, sich von ihm loszureißen.
„Was hast du?“Seine Stimme klang belegt, seine Augen wirkten verhangen, noch getrübt vom lustvollen Kuss, den sie getauscht hatten.
„Ich … ich weiß nicht, das ist irgendwie alles so überwältigend.“
Sein sinnliches Lächeln bekam einen grausamen Zug. „Du hörst dich an wie ein Groupie“, lästerte er und holte sie endgültig aus ihrem Sinnestaumel.
Sie würde diesen Mann niemals verstehen! Permanent musste er gegen sie ankämpfen. Machten sie einen Schritt nach vorn, sprang er mit Anlauf gleich zwei wieder zurück. Bevor sie dazukam, diese Frechheit mit einer passenden Antwort zu parieren, umfasste er mit festem Griff ihren Nacken und zog ihren Mund zurück an seine Lippen. Rücksichtslos erstickte er den möglichen Widerstand, dabei war es gar nicht nötig. Sobald ihre Lippen verschmolzen, stellte sie das Denken ein und konnte nur noch fühlen. Trotz des Taumels, in den er sie versetzte, entging ihr keineswegs, dass sich seine schwielige Hand wieder unter ihren Rock stahl und unaufhaltsam höher wanderte, bis seine Fingerknöchel sanft an der
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