Jagdfieber
geschlagene fünf Minuten nicht von der Stelle. In ihr brodelte es, sie wollte schreien, etwas zerschlagen, jemandem wehtun. Am meisten dieser amerikanischen Hure, die ihr den Mann weggenommen hatte, den sie mehr als alles andere besitzen wollte. Für sie gab es keinen Zweifel, dass Victor schnurstracks zu ihr laufen würde wie ein gehorsames Hündchen, und allein beim Gedanken daran kroch bittere Eifersucht in ihr hoch.
Langsam stand sie auf und lief auf den Spiegel über dem Frisiertisch zu, sah hinein und konnte ihren eigenen Anblick kaum ertragen. Ihr Spiegelbild zeigte eine blasse und dünne Frau. In diesem Augenblick konnte sie ihr wahres Alter nicht verbergen, und die so krampfhaft erhaltene Jugend bröckelte einfach von ihren Zügen ab und zeigte ihr wahres Gesicht. Ihre Fantasie spielte ihr einen Streich, und sie meinte Paige Turners junge und leider wunderschöne Fratze neben sich zu erkennen. Sie wirkte so real, dass Charlottes sich unwillkürlich umdrehte, die Finger gekrümmt und bereit, ihr die Haut zu zerkratzen, bis nichts mehr von ihrer Schönheit übrig war. Natürlich war sie allein im Zimmer, die Stelle hinter ihrem Rücken leer. Vielleicht hatte sie doch eine Linie zuviel genommen, fragte sie sich unbehaglich, sah wieder in den Spiegel und entdeckte die feine Schweißschicht, die ihre Haut überzog, bis sie glänzte wie bei einem pickligen Teenager. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, das Kinn wirkte beinahe täglich spitzer, weil sie permanent an Gewicht verlor. Hunger hatte sie keinen mehr. Nur noch auf Sex. Sex mit Victor, und selbst den würde sie in Zukunft nicht mehr bekommen, weil er eine andere mehr begehrte. Der Gedanke war unerträglich und zerhackte das letzte bisschen Menschlichkeit, das sie noch in sich trug. Angeekelt wandte sie den Blick von ihrem Spiegelbild ab, schaffte es aber nicht, diese amerikanische Schlampe aus ihren Gedanken zu verbannen. Wilder Hass stieg in ihr hoch, so allumfassend, so intensiv, dass ihr ganzer Körper anfing zu zittern. Dieses Dreckstück war schuld, dass Victor sie abserviert hatte, und sie war entschlossen, diesem Flittchen das Leben in Zukunft zur Hölle zu machen. Keiner wagte sich ungestraft in Charlotte Fitzroys Revier, und diese Turner würde es bitter bereuen, dass sie auch nur einen Blick in Victors Richtung geworfen hatte.
Ungeweinte Tränen der Wut und der Demütigung brannten in ihren Augen, stauten sich und wollten über die Lidränder quellen, doch sie blinzelte sie einfach weg. Charlotte Fitzroy weinte nicht. Sie schlug zurück, und das so nachhaltig, dass sich ihre Opfer nie wieder davon erholten. Fieberhaft begann sie, ihre Gedanken zu ordnen. Sie suchte nach Möglichkeiten, nach Angriffsflächen. Was hasste Victor am meisten, womit konnte er am wenigsten leben? Die Erleuchtung kam umgehend. Natürlich! Wieso war sie nicht gleich darauf gekommen? Mit neuem Elan, der sie immer dann durchpulste, wenn sie wieder mal eine neue Gemeinheit plante, lief sie zurück zum Bett und griff nach dem Telefon, das auf dem Nachtschränkchen ruhte. Kontrolliert tippte sie im Stehen eine lange Zahlenreihe ein. Sie kannte sie auswendig. Geduldig wartete sie, bis sich am anderen Ende der Leitung eine verschlafene Stimme zu Wort meldete.
„Wer stört …?“, fragte die Person gähnend.
Charlotte sah auf die Uhr. Dort war jetzt früher Morgen, doch ihr war es gleichgültig, ob sie ihre Cousine, die am anderen Ende der Welt in Texas lebte, seit sie einen amerikanischen Geschäftsmann geheiratet hatte, gerade aus dem Tiefschlaf gerissen hatte.
„Ich bin es, Charlotte“, antwortete sie, nachdem sie ihr ein paar Augenblicke Zeit gegeben hatte, um die Müdigkeit abzuschütteln.
Ihre Cousine schwieg einen Moment verblüfft, ehe sie die Sprache wiederfand. „Was ist los? Du jagst mich doch nicht grundlos aus dem Bett. Hat der gute William etwa schon den Löffel abgegeben?“
Charlotte schnaubte abfällig wegen dieser respektlosen Bemerkung. „So viel Glück habe ich nicht“, erklärte sie unwirsch, doch dann breitete sich ein berechnendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf die Bettkante und kam gleich zur Sache. „Ich rufe aus einem anderen Grund an. Ich brauche deine Hilfe, um an Informationen über eine bestimmte Person zu kommen ...“
Kapitel 13
Nach einer halsbrecherischen Fahrt parkte Victor seinen Wagen am Hintereingang des Westflügels und rannte, immer zwei Stufen auf einmal
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