Jagdhunde (German Edition)
gegen § 168 und § 169, Strafgesetzbuch, II. Teil beschuldigt«, begann der Hauptkommissar.
Wistings Stirn legte sich in Falten. Plötzlich begriff er, dass er völlig unvorbereitet war. Tagelang hatte er den Cecilia-Fall durchforstet, um herauszufinden, wer den entscheidenden Beweis gegen Rudolf Haglund eingeschmuggelt haben könnte, die meiste Zeit allerdings mit der Suche nach einem anderen Mörder verbracht. Allzu wenig hatte er sich auf die gegen ihn gerichtete Anklage vorbereitet.
Er fasste nach der Tischkante und spürte den kalten Metallrahmen unter der Handfläche. Der Inhalt von Paragraf 168 des Strafgesetzbuchs war ihm bekannt. Dieser behandelte falsche Verdächtigungen und war für gewöhnlich gegen denjenigen gerichtet, der falsche Anschuldigungen erhob, aber auch denjenigen betraf, der gefälschte Beweise in ein Verfahren einbrachte. Den Inhalt von Paragraf 169 kannte Wisting nicht.
»Paragraf 169 sieht für die erwiesene Beweismittelfälschung eine Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis vor«, erklärte der Ermittler, so als hätte er Kenntnis von Wistings fehlendem Wissen. »Für den Fall, dass eine Person aufgrund gefälschter Beweise verurteilt wurde und mehr als fünf Jahre im Gefängnis verbracht hat, kann der Schuldige zu einer Maximalstrafe von einundzwanzig Jahren Gefängnis verurteilt werden. Die Verjährungsfrist beträgt fünfundzwanzig Jahre.«
Wisting schluckte. Plötzlich hatte die ganze Angelegenheit eine völlig neue Dimension angenommen. Die Konsequenzen der gegen ihn gerichteten Beschuldigung waren viel weitreichender, als er sich bewusst gewesen war. Wenn er es nicht schaffte, sich von den Verdächtigungen reinzuwaschen, würde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.
Wisting holte tief Luft und atmete etwas geräuschvoller aus, als es seine Absicht gewesen war.
»Anlass der Beschuldigung sind die Erkenntnisse, die in Verbindung mit Rechtsanwalt Hendens Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Rudolf Haglund aufgetreten sind«, fuhr der Ermittler im selben formellen Ton fort. »Als Beschuldigter sind Sie nicht verpflichtet, sich zu äußern, und haben natürlich das Recht, zu jedem Zeitpunkt der Ermittlung einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.«
Draußen lief das Regenwasser in gleichmäßigen Strömen an der Fensterscheibe herunter. Die Luft im Raum war bereits etwas feucht geworden. Wisting änderte seine Sitzposition und schlug ein Bein über das andere.
»Haben Sie sowohl die Beschuldigung als auch Ihre Rechte verstanden?«, wollte der Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs wissen.
Wisting nickte.
»Sie müssen laut sprechen«, sagte der Ermittler und deutete auf das Aufnahmegerät.
»Ja.«
60
Der Regen wurde heftiger und das Wasser floss über die Gehsteige. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 14:37. Rudolf Haglund saß jetzt seit fast einer Stunde mit dem Journalisten von Dagbladet zusammen.
Line hatte den roten Aktenordner aus dem Cecilia-Fall auf dem Schoß liegen. Der Ordner trug die Aufschrift Beschuldigter und enthielt die Aussagen von Rudolf Haglund sowie alle anderen Informationen, die über ihn gesammelt worden waren. Line hatte die Absicht, ihn als eine Art Nachschlagewerk zu benutzen, abhängig davon, wen Haglund eventuell aufsuchte oder was er im Weiteren unternahm. Jetzt allerdings blätterte sie zwischen den einzelnen Vernehmungsprotokollen hin und her, um sich ein allgemeines Bild von Haglund zu machen.
Zu Hause bei Haglund waren weder Fingerabdrücke noch DNA- oder sonstige Spuren von Cecilia gefunden worden. Die kriminaltechnische Untersuchung war zu dem Schluss gekommen, dass sie sich niemals in seinem Haus aufgehalten hatte. Während der Durchsuchung waren einige Aufnahmen gemacht worden. Das Haus war typisch für die Siebzigerjahre und geprägt von der Schlichtheit, die dem Rahmen einer Kreditfinanzierung durch eine Bank entsprach. Es bestand aus einem großen Wohnzimmer, Küche, Bad, Toilette, Waschraum, zwei Dachstuben und drei Schlafzimmern. Jedes Zimmer war aus unterschiedlichen Winkeln fotografiert worden, dann folgte eine Detailaufnahme der Pornohefte, die in einem Koffer in einer der Dachstuben gelegen hatten. Jedes Magazin war einzeln fotografiert. Offenbar hatte man mit den Aufnahmen beabsichtigt, Haglunds sexuelle Präferenzen zu schildern und somit den Verdacht eines sexuellen Motivs für die Entführung von Cecilia Linde zu untermauern.
Line blätterte zurück zu der Aufnahme des Wohnzimmers. Graue
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