Jagdhunde (German Edition)
Telefon. »Verflucht, wir sollten jetzt da sitzen! Das schuldet er uns! Wir waren es doch, die seinen Fall auf die Titelseite gebracht haben. Aber er sagte, er hätte kein Interesse an einem Interview.«
Gjermund Hulkvist war ein erfahrener Journalist, der in der Kriminalredaktion von Dagbladet arbeitete und über die meisten großen Fälle im Land berichtet hatte. Er war bekannt für seine Fähigkeit, mit anderen in Kontakt zu kommen, und hatte ein riesiges Quellennetzwerk, das ihm dabei half, auch dann Neuigkeiten aufzuspüren, wenn es anderen nicht gelang.
»Die essen jetzt zu Mittag. Mit Block und Bleistift auf dem Tisch«, sagte Harald.
»Das verschafft uns etwas Zeit«, gab Line zurück. Sie hatte zu frieren begonnen. »Ich hole das Auto.«
Noch bevor sie sich wieder hinter das Lenkrad setzen konnte, war sie vom Regen völlig durchnässt. Sie ließ den Wagen an, schaltete die Heizung ein und ließ die Scheibenwischer hin- und herfahren, während sie sich aus Jacke und Pullover schälte. Aus der Tasche auf dem Rücksitz nahm sie ein paar trockene Sachen, zog sie über und fuhr los.
In einer Seitenstraße fand sie einen Parkplatz, von dem aus sie Haglund in verschiedene Richtungen folgen konnte, je nachdem welchen Weg er nach dem Interview einschlagen würde.
Harald und Morten P überwachten den Restauranteingang. Somit hatte Line etwas Zeit, um ein paar Sachen zu erledigen. Sie wollte den Polizisten anrufen, der sie in Fredrikstad vernommen hatte, und ihn fragen, ob sich in der Mordsache etwas Neues ergeben hatte. Aber zunächst musste sie es noch einmal mit der unregistrierten Nummer versuchen.
Sie zog den Kopfhörer aus dem Handy und tippte dann die Ziffern ein. Zu ihrer großen Überraschung nahm sofort jemand ab. Ein junges Mädchen sagte Hallo und im Hintergrund hörte Line jemanden lachen.
Line überprüfte, ob sie richtig gewählt hatte, und nannte ihren Namen. »Mit wem spreche ich bitte?«, fragte sie.
»Wen wollen Sie denn sprechen?«, fragte das Mädchen.
»Ich weiß nicht genau«, erwiderte Line und hatte plötzlich eine Idee. »Jemand hat mich in meiner Abwesenheit angerufen und ich wollte wissen, worum es sich handelt.«
»Das ist hier eine Telefonzelle«, sagte das Mädchen am anderen Ende der Leitung.
»Telefonzelle? Wo denn, bitte?«
»Draußen vor dem Bahnhof in Fredrikstad.«
Das war logisch, dachte Line. Es war naheliegend, dass derjenige, der vielleicht hinter dem Mord an Jonas Ravneberg steckte, aus einer Telefonzelle angerufen hatte. Und es erklärte, wieso nie jemand abnahm, wenn sie die Nummer wählte.
»Gibt es da in der Nähe irgendwo eine Kamera?«, fragte Line das Mädchen.
»Kamera?«
»Gibt es da eine Videoüberwachung auf dem Bahnhof?«
Das Mädchen legte auf.
Line sah, dass die Innenseite der Frontscheibe leicht beschlagen war. Mit dem Handrücken wischte sie einen Streifen frei und schaute hinaus. Der Regen trommelte auf das Autodach und hatte die Menschen von den Straßen verjagt.
Line ging in Gedanken noch einmal den Handlungsverlauf im Vorfeld des Mordes an Jonas Ravneberg durch. Um 14:17 Uhr hatte er einen Anruf erhalten, der ihn veranlasste, ein Anwaltsbüro zu kontaktieren und einen Termin zu vereinbaren. Sieben Stunden später war er tot.
Es musste einen Zusammenhang geben. Zwar wusste sie noch immer nicht, wer der Anrufer gewesen war, aber das Gespräch war aus einer öffentlichen Telefonzelle geführt worden.
Line suchte die Nummer des Fotografen heraus, mit dem sie in Fredrikstad gearbeitet hatte, und rief ihn an. Erik Fjeld nahm sofort ab. Seine Stimme klang hohl und Line begriff, dass auch er in einem Wagen saß.
»Ich brauche ein Foto«, sagte sie.
»Arbeitest du immer noch an dem Fall?«, fragte Fjeld.
»Ich will nur ein paar lose Enden zusammenfügen«, erwiderte sie ausweichend und erzählte ihm von der Telefonzelle vor dem Bahnhof.
»Könntest du mir davon ein Foto machen?«
»In einer halben Stunde.«
»Sehr gut. Und wenn du schon mal da bist: Ich muss wissen, ob es da in der Nähe Videoüberwachung gibt.«
Erik Fjeld zögerte mit seiner Antwort. »In Ordnung«, sagte er schließlich.
Line glaubte hören zu können, dass sein Wagen beschleunigte. Offenbar hatte er verstanden, dass es nicht nur darum ging, eine leere Telefonzelle zu fotografieren, sondern vielleicht auch darum, ein Bild des Mörders zu beschaffen.
59
Die Spezialeinheit für interne Polizeiangelegenheiten führte ein anonymes Dasein im Zentrum. Der Eingang lag
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