Jagdhunde (German Edition)
Streifentapeten an den Wänden. Brauner Nadelfilz auf dem Fußboden. Ein Sofa aus blauem Samt mit zwei passenden Sesseln, ein Couchtisch mit Glasplatte sowie Fernseher und Videogerät auf einem rollbaren Tischchen.
Bilder eines traurigen und einsamen Lebens, dachte Line und wollte den Ordner schon schließen, als ihr etwas auffiel. Hinter dem Fernsehgerät hingen drei treppenförmig angeordnete Regalbretter. Auf jedem von ihnen stand eine Reihe mit Modellautos.
Line beugte sich vor, starrte auf das Foto und schaltete die Innenbeleuchtung ein, um besser sehen zu können. Es war eine ganze Sammlung von Modellautos.
Nirgendwo sonst in den Dokumenten hatte sie gelesen, dass Rudolf Haglund Modellautos sammelte. Das Einzige, das in diese Richtung deutete, war die Zeugenaussage, aus der hervorging, dass Haglund den Kontakt zwischen Jonas Ravneberg und dem Angestellten aus dem Möbelgeschäft, der einen Kasten mit geerbten Modellautos besaß, hergestellt hatte. Weder Haglund noch Ravneberg hatten in der Vergangenheit je den Eindruck vermittelt, kontaktfreudig zu sein, und so war es durchaus möglich, dass die beiden einander durch das gemeinsame Sammelinteresse kennengelernt hatten.
Line überprüfte ihre E-Mails und lud den Anhang mit den Informationen der Rechercheabteilung auf das Handy herunter. Maud Svedberg wohnte in der Lilla Norregatan in Ystad. Sie hatte nach ihrer Heirat vor zwölf Jahren den Namen Svedberg angenommen, war beim Einwohnermeldeamt aber als geschieden und kinderlos verzeichnet.
Falls sie die norwegischen Nachrichten nicht verfolgte, wusste sie wahrscheinlich nicht, dass ihr ehemaliger Lebensgefährte ermordet worden war. Line musste demnach eine Todesbotschaft überbringen.
Line hatte das Gefühl, auf zwei Pferden gleichzeitig zu reiten. Jonas Ravneberg und Rudolf Haglund. Auf irgendeine Weise waren sie zusammengezäumt, doch wie genau, wusste sie bislang nicht.
Sie wählte die Nummer.
Die Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung klang heiser und seltsam zögerlich, so als wäre sie es überhaupt nicht gewohnt, dass ihr Telefon klingelte.
Line nannte ihren Namen.
»Ich arbeite an einem Mordfall und glaube, dass Sie das Opfer kannten«, erklärte sie.
»Ein Mordfall?«
»Eine Morduntersuchung«, bestätigte Line. »Der Ermordete hieß Jonas Ravneberg. Ich glaube, Sie kannten ihn.«
»Jonas?«
»Sie haben vor siebzehn Jahren zusammen mit ihm in Norwegen gewohnt. Das stimmt doch, oder?«
»Ist er tot?«
Line berichtete, was geschehen war. »Sie lebten doch zusammen, oder?«
»Das ist viele Jahre her«, sagte die Frau am anderen Ende der Leitung. Sie sprach so leise, dass Line sich anstrengen musste, sie richtig zu verstehen. »Ich führe jetzt ein völlig anderes Leben. Ich bin zurück nach Schweden gezogen und habe geheiratet.«
»Weswegen endete Ihre Beziehung?«, wollte Line wissen.
»Ach, das ist alles schon so lange her«, wiederholte Maud Svedberg.
»Aber er ist doch nach Fredrikstad gezogen«, warf Line ein, merkte aber gleich, wie ungeduldig und grob sie klingen musste. »Gab es einen bestimmten Grund, weshalb er weggezogen ist?«
»Er war immer so nervös«, sagte Maud Svedberg. »Er hatte Nervenprobleme.« Plötzlich hielt sie inne. »Sie arbeiten für eine Zeitung?«
»Verdens Gang«, bestätigte Line. »Ich interessiere mich dafür, wer er war.«
»Ich möchte nicht, dass Sie über uns schreiben.«
»Das muss ich überhaupt nicht. Ich möchte nur mit jemandem reden, der ihn kannte. Da gab es ja anscheinend nicht so viele.«
»Ja, das ist auch genau unser Problem gewesen. Er wollte immer mehr nur für sich allein sein. Teilte weder seine Gedanken noch etwas anderes mit mir. Es war dann irgendwann nicht mehr stimmig zusammenzuwohnen. Und dann ist er ausgezogen.«
»Haben Sie mal wieder etwas von ihm gehört?«
Die Frau zögerte erneut. »Ich bin im Sommer fünfzig geworden«, sagte sie und erklärte, dass sie zwei Jahre älter als Jonas Ravneberg war. »Da bekam ich einen Brief von ihm. Er hat nicht viel geschrieben. Hat gar nichts über sich selbst erzählt, sondern nur ein paar Zeilen über die gemeinsame Zeit hingekritzelt.«
»Sie haben nicht zufällig in den letzten Tagen Post von ihm bekommen?«
»Nein. Er hatte seine Adresse hinten auf den Umschlag geschrieben und da habe ich ihm im September eine Postkarte aus Spanien geschickt. Ich habe mich für seinen Brief bedankt und ihm alles Gute für die Zukunft gewünscht.«
»Können Sie sich vorstellen, wieso
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