Jagdhunde (German Edition)
auf der Rückseite des Hauses Kirkegata 1. Das Gebäude beherbergte außerdem ein Callcenter sowie verschiedene Steuerbüros und ähnliche Unternehmen, die keinen Bedarf daran hatten, ihre Tätigkeit durch Reklameschilder und Schaufenster zu bewerben.
Am Eingangstor standen zwei Frauen und rauchten geschützt vor dem Regen unter einem Dachvorsprung. Als Wisting an ihnen vorbeiging, nickten sie ihm zu, so als würden sie ihn und den Anlass seines Besuchs kennen. Wisting glaubte, ihre Blicke im Rücken zu spüren, während er auf die Tür zutrat. Sie war verschlossen. Er inspizierte die Klingelanlage und drückte auf einen Knopf, der mit Spezialeinheit gekennzeichnet war. Es dauerte eine Weile, bis jemand antwortete. Wisting nannte seinen Namen und sagte, dass er um zwei Uhr einen Termin habe.
Im Türschloss summte es.
»Erste Etage«, erklang es aus der Gegensprechanlage.
Während Wisting die Tür aufzog, drehte er sich um und warf einen Blick hinter sich. Auf der anderen Seite des Innenhofs stand ein Mann mit gezückter Kamera. Er hatte eine weitere Kamera an seiner Schulter hängen, der Regen tropfte vom Schirm seiner Mütze herunter.
Journalist, dachte Wisting und eilte ins Haus. Irgendjemand musste der Presse verraten haben, wo er sich heute befinden würde.
Hauptkommissar Terje Nordbo nahm Wisting an der Tür in Empfang. Sie begrüßten einander mit Handschlag. Wisting hatte im Internet nach seinem Namen gesucht, aber nicht mehr gefunden als einen Eintrag irgendwo ziemlich unten auf der Ergebnistabelle des Birkebeiner- Skirennens.
Wisting wurde durch die fast leere Büroetage geführt. Am Ende eines Flurs öffnete der Hauptkommissar die Tür zu einem geräumigen Büro und ließ Wisting vorgehen.
Die Wände waren grau, kalt und nackt und in ihrer Eintönigkeit nur von einer tickenden Uhr und einem schmalen Fenster unterbrochen. Auf dem mit Computer, Tastatur und Maus ausgestatteten Schreibtisch lagen ein Stapel leerer Papierbögen, ein Kugelschreiber und ein kleines digitales Aufnahmegerät derselben Herstellermarke, die auch Wisting für gewöhnlich benutzte.
Terje Nordbo zog seine Jacke aus und hängte sie sorgfältig über den Stuhlrücken. Dann setzte er sich, zog die Tastatur zu sich heran und krempelte seine Hemdsärmel auf. Wisting blieb einen Augenblick stehen. Es fühlte sich fremd und ungewohnt an, am anderen Ende des Tisches einem Ermittler gegenüber Platz nehmen zu müssen. Schließlich setzte er sich und sah zu Nordbo hinüber, der auf seinen Computerbildschirm blickte. Der Hauptkommissar war dünn, hatte kurz geschnittenes Haar, trug eine randlose Brille und eine eng gebundene Krawatte und war wahrscheinlich zehn Jahre jünger als Wisting. Zwar hatte Wisting wesentlich mehr Diensterfahrung, fühlte sich entsprechend der Situation jedoch unterlegen.
Eine interne Ermittlung wurde stets sehr sorgfältig durchgeführt. Alles, was die Ermittler herausfanden, wurde weitergegeben und von den besten Staatsanwälten des Landes überprüft. Hinter ihren großen Schreibtischen in den oberen Etagen der Behörde fanden sie immer irgendetwas, das sich kritisieren ließ.
»Ich werde die Vernehmung aufzeichnen«, erklärte der Hauptkommissar und startete das Aufnahmegerät. »Danach wird eine schriftliche Zusammenfassung erstellt, die Sie zur Kenntnisnahme erhalten und dann bitte unterschreiben wollen.«
Wisting nickte, nahm eine andere Sitzposition ein und blickte den ihm gegenübersitzenden Mann an.
Jetzt bin ich also auf der anderen Seite, dachte er. Er saß dort, wo vor ihm schon viele Männer und Frauen gesessen hatten. An einem Platz, den er selbst schon Hunderten, ja Tausenden von Verdächtigen zugewiesen hatte. Vor dem Gesetz waren sie so lange unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Bei den Ermittlern war es genau umgekehrt. Sie gingen prinzipiell davon aus, dass jeder, der auf diesem Stuhl saß, schuldig war. Für die Aufklärung eines Falls war es ganz entscheidend, so zu denken. Die Ermittler mussten fest daran glauben, dass die Person, der sie gegenübersaßen, getan hatte, was ihr vorgeworfen wurde. Auch Wisting hatte so gedacht, als er vor siebzehn Jahren Rudolf Haglund vernahm. Er hatte den Vernehmungsraum betreten, sich hingesetzt und gedacht, dass er nun mit dem Mörder von Cecilia Linde zusammen war. So musste es sein. Das Ganze glich einem sportlichen Wettbewerb. Wenn man nicht daran glaubte, dass der Kampf zu gewinnen war, dann verlor man ihn.
»Sie werden des Verstoßes
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