Jagdhunde (German Edition)
den Kisten war entfernt worden. Line beugte sich vor, um den Inhalt zu inspizieren.
Es waren mehrere wurstförmige, in braunes Papier eingewickelte Objekte. Sie nahm eines davon heraus. Der Inhalt rieselte aus dem Papier und bestäubte ihre Finger.
Danger, las sie. Explosives.
Line schluckte und fühlte ihr Herz pochen.
Dynamit. Es war ein Dynamitlager. Wohl aus der Zeit, als Wege für die Holztransporte freigesprengt worden waren. Jetzt waren die Stangen alt und instabil.
Line legte die Stange vorsichtig zurück in den Kasten und lief rückwärts aus dem Bunker. Dann schob sie die Metalltür wieder zu und hängte die Überreste des Vorhängeschlosses zurück an den Bügel.
Sie wusste nicht, was sie sich eigentlich gedacht hatte. Linnea Kaupang war jedenfalls nicht hier.
67
Die Scheibenwischer schabten klappernd über die Frontscheibe. Line saß über das Lenkrad gebeugt und musste sich anstrengen, um durch die verschmierte Scheibe sehen zu können.
Sie dachte an die Begegnung mit Rudolf Haglund. Sie hatte ihn nie zuvor getroffen, er aber hatte sie offenbar erkannt. Woher wusste er, wer sie war? Möglicherweise hatte er ihr Bild in der VG gesehen oder vielleicht auch Informationen über ihren Vater eingeholt. Dennoch war auch ihr irgendetwas an ihm bekannt vorgekommen, dachte sie. Und tatsächlich gab es eine Möglichkeit, dass sie einander zuvor schon einmal begegnet waren. Es konnte nämlich Rudolf Haglund gewesen sein, der aus Jonas Ravnebergs Haus in Fredrikstad gestürmt war.
Je mehr sie darüber nachdachte, desto einleuchtender wurde ihre Theorie. Er hatte zu dem äußerst begrenzten Bekanntenkreis des Mordopfers gehört und bereits zuvor einmal gemordet. Zumindest war er dafür verurteilt worden. Die Frage war nur, wieso er Jonas Ravneberg getötet haben sollte. Haglund hatte siebzehn Jahre im Gefängnis gesessen und war gerade erst wieder freigelassen worden. Vielleicht lag das Motiv in der Vergangenheit. Irgendetwas, das er in all den Jahren im Gefängnis mit sich herumgetragen hatte.
Line schaltete in einen niedrigeren Gang, scherte aus und überholte einen Lastwagen, um dem Wasser zu entgehen, das hinter ihm aufgewirbelt wurde.
Plötzlich fielen ihr die Bilder von der Videoüberwachung am Bahnhof Fredrikstad ein, die Erik Fjeld ihr schicken wollte. In einiger Entfernung tauchte eine Nothaltebucht am Straßenrand auf. Line bremste ab, um anzuhalten. Der Lastwagen, den sie gerade überholt hatte, betätigte die Lichthupe und hüllte sie im Vorbeifahren in eine Wasserwolke ein. Über die Freisprechanlage hörte sie, dass sich die anderen Larvik näherten und Haglunds grauem Passat weiter auf den Fersen waren.
Line rief das Mailprogramm ihres Handys auf und öffnete die ungelesenen Nachrichten. Nichts davon musste sie sofort beantworten, sodass sie sich in aller Ruhe Erik Fjelds E-Mail widmen konnte.
Der erste Anhang war ein Bild, das eine leere Telefonzelle zeigte. Es konnte vielleicht für einen Artikel benutzt werden, der über den Anruf des Mörders bei Jonas Ravneberg berichtete, hatte aber darüber hinaus keinen Wert.
Die nächste Aufnahme zeigte einen Bildschirm. Ein paar graue Längsstreifen verunzierten die Mattscheibe, doch Line erkannte die Telefonzelle aus dem vorigen Bild wieder. Ein Mann stand in der Zelle und hatte seinen Kopf dem Telefonautomaten zugewandt. Er trug schwarze Kleidung, mehr war nicht zu erkennen.
Die nächsten zwei Bilder zeigten ihn beim Verlassen der Telefonzelle. Könnte es Rudolf Haglund sein? Die Ähnlichkeit, die sie zu sehen glaubte, entsprang wohl am ehesten dem Wunsch nach Bestätigung ihrer Theorie. Ausgehend von den beiden Aufnahmen konnte sie diesbezüglich allerdings nichts Konkretes sagen.
Line fuhr weiter und landete wieder hinter einem Lkw.
Der Cecilia-Fall schuf ganz offensichtlich eine Verbindung zwischen Haglund und Ravneberg, eine Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart, doch Line kam nicht dahinter, welche Bedeutung der alte Mordfall eigentlich hatte.
Sie überlegte, ihren Vater anzurufen und ihn um seine Meinung zu bitten. Er musste die Befragung durch die Spezialeinheit bereits hinter sich gebracht haben und Line war überaus gespannt zu erfahren, was bei dem Treffen mit Haglund in der Anwaltskanzlei herausgekommen war. Doch was sie selbst im Hinblick auf Haglunds Verknüpfung mit dem Fall in Fredrikstad wusste, war so vage, dass sie es vorläufig für sich behalten wollte.
Nach einigen Kilometern gab Tommy durch, dass Haglund von
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