Jagdhunde (German Edition)
in seinem Keller gesessen, ohne dass sein Name aufgetaucht war. Die Polizei hatte an völlig anderen Stellen gesucht und in die falsche Richtung geblickt.
»Sollten wir nicht jemanden anrufen?«, fragte Line. »Polizei und Rettungswagen? Wenn er es war, dann könnte Linnea Kaupang dort schon seit Tagen hocken, ohne Nahrung und Wasser.«
»Wir warten, bis wir da sind«, erwiderte Wisting und versuchte in Gedanken, einen Zusammenhang zu finden. Jonas Ravneberg war eine anonyme Gestalt, tauchte aber als peripherer Bestandteil sowohl im Cecilia- als auch im Ellen-Fall auf. Jetzt war er selbst ermordet worden. Kurze Zeit, nachdem Rudolf Haglund vorzeitig entlassen worden war und vielleicht beweisen konnte, dass man ihn unschuldig verurteilt hatte. Es war schwierig, einen Zusammenhang zu erkennen, und Wisting konnte sich nicht ganz von seiner bisherigen Überzeugung trennen, dass Haglund Cecilia entführt und getötet hatte. Natürlich konnte es sich auch um zwei Täter handeln, wobei so etwas eher selten vorkam, wenn es sich um sexuell motivierte Verbrechen handelte. Und während der Ermittlungen hatte nichts darauf hingedeutet, dass der Täter nicht allein agiert hatte.
Line verlangsamte die Geschwindigkeit und bog auf den kleinen Seitenweg ab. Der Wagen rutschte ein wenig herum, bevor die Reifen wieder Halt auf dem matschigen Untergrund fanden. Das Astwerk der Bäume reichte bis über den Weg und verdunkelte das dämmrige Licht noch zusätzlich. Die Scheinwerfer erhellten die Strecke vor ihnen und ließen die Reifenspuren eines anderen Fahrzeugs erkennen.
»Haben deine Kollegen Haglund noch immer unter Kontrolle?«, fragte Wisting.
Line nickte.
»Ich habe mit ihnen gesprochen, kurz bevor ich heimkam. Er hat das Haus den ganzen Tag nicht verlassen. Sein Wagen steht im Carport.«
Der Motor stotterte, als Line herunterschaltete. Der Wagen rutschte aus der Spur und irgendetwas knallte gegen den Unterboden. Wisting hielt sich am Sicherheitsgurt fest, während der Wagen auf den Graben zusteuerte. Line riss das Lenkrad herum. Der Wagen glitt zur Seite, dann griffen die Reifen wieder und Line gewann die Kontrolle zurück.
Der Weg wurde schmaler, Büsche und Äste schleiften über die Seiten des Wagens. Schließlich umrundeten sie die letzte Kurve und der kleine Bauernhof lag direkt vor ihnen.
Auf dem Hofplatz stand ein schlammbespritzter Wagen. Line ging vom Gaspedal herunter, aber es war zu spät. Vor der Scheune stand ein Mann. Er drehte sich um und wurde vom Scheinwerferlicht getroffen.
»Frank Robbek«, stellte Wisting fest.
Sie stiegen aus und ließen den Wagen mit laufendem Motor stehen. Wistings ehemaliger Kollege kam ein paar Schritte auf sie zu. Er hielt etwas in beiden Händen. Dann nahm er eine Hand vors Gesicht, um seine Augen vor dem grellen Licht des Autoscheinwerfers zu schützen.
Wisting und Line erkannten eine Taschenlampe in seiner Hand. In der anderen Hand hielt er etwas, was wie eine Waffe aussah.
»Wisting?«, fragte er erstaunt.
»Frank. Was machst du hier?«
»Da ist was, was du dir ansehen solltest«, erwiderte Robbek und winkte sie zu sich. Der Gegenstand in seiner anderen Hand entpuppte sich als Bohrmaschine.
»Was machst du hier?«, wiederholte Wisting.
»Das hätten wir schon vor siebzehn Jahren tun sollen«, sagte Robbek und trat auf die Scheune zu.
Das Scheunentor war mit einem Riegel versehen, der mit mehreren Bolzen fixiert war. Auf dem Boden lagen frische Holzspäne.
Robbek zeigte auf ein Loch, das er in die dicke Tür gebohrt hatte. »Sieh mal durch!«, forderte er Wisting auf und hielt die Taschenlampe an ein weiteres Loch.
Wisting warf Line einen Blick zu und beugte sich zu der Tür. Das Licht der Taschenlampe fiel kegelförmig von dem Loch in das Innere der Scheune und traf auf das Heck eines Wagens, der drei oder vier Meter entfernt stand. Er war völlig eingestaubt, die Farbe erinnerte an Grau. Die Kennzeichen waren entfernt worden, doch in der Mitte des Kofferraumdeckels wurde der Lichtstrahl von dem typischen Blitz inmitten eines runden Opel-Logos reflektiert.
Wisting richtete sich auf und starrte Robbek wortlos an.
»Was ist denn?«, wollte Line wissen.
»Da ist der Wagen«, erwiderte Robbek. »Der Wagen, den er für Cecilia Lindes Entführung benutzt hat.«
Line beugte sich hinunter, um durch das Loch zu blicken, doch Robbek richtete die Taschenlampe auf den Schuppen auf der anderen Seite des Hofes und den alten Saab, der dort abgestellt war.
»Wir haben total
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