Jagdhunde (German Edition)
in einem Regal unter dem Fenster. Wisting stellte das Gerät auf die Fensterbank und legte die Kassette ein. Dann drückte er auf Play .
Zuerst hörte er ein Rascheln, so als liefe jemand draußen umher und hätte das Mikrofon irgendwo zwischen den Kleidern verborgen.
Dann kamen die Stimmen. Zwei Personen begrüßten einander. Sie nannten sich beim Vornamen. Gjermund und Rudolf. Rudolf Haglund.
Zu Beginn redete der andere am meisten. Er bedankte sich, dass Rudolf Haglund die Zeit für das Treffen gefunden habe, und fragte ihn, ob es noch viele andere gab, die an ihn herangetreten seien. Haglund bejahte und der andere fragte, ob er das Gespräch aufnehmen dürfe.
Es war ein Interview.
Rudolf Haglund hatte Wisting die Aufnahme eines Zeitungsinterviews zukommen lassen, das er selbst mitgeschnitten hatte.
Der Journalist sagte, dass er gerne ein paar neue Bilder haben wolle und daher ein Fotograf kommen würde. Haglund musste sein Einverständnis mit einem Nicken ausgedrückt haben, denn das Gespräch wurde fortgesetzt, bis eine Frau dazukam und die Bestellung aufnahm. Haglund bestellte ein durchgebratenes Steak, wohingegen der Journalist ein Fischgericht wählte. Haglund wollte eine Cola, der Journalist bat die Kellnerin um ein Mineralwasser.
Wisting kannte nur einen Journalisten, der Gjermund hieß. Gjermund Hulkvist von Dagbladet. Er war ein erfahrener Kriminalreporter, der gerne einen kameradschaftlichen Ton anschlug und viel von sich selbst preisgab, um auf diese Weise ans Ziel zu kommen.
Während des Gesprächs nannte er Haglund weiter beim Vornamen und wiederholte noch einmal, wie dankbar er sei, dieses Interview mit ihm führen zu können.
»Sie sind gut«, erwiderte Haglund. »Was Sie schreiben, gefällt mir. Sie halten sich an die Fakten. Das hat mir auch vor siebzehn Jahren schon gefallen, als Sie über den Fall berichteten.«
»Freut mich, das zu hören.«
»Und außerdem haben Sie sich nicht nur an die Fakten gehalten, sondern waren auch der Erste, der so einen Beitrag brachte.«
»Man braucht eben ein weit verzweigtes Kontaktnetz«, erläuterte Gjermund Hulkvist. »Gute Quellen.«
»Bei der Polizei?«
»Dort auch. Und zwar an zentraler Stelle.«
Wisting drehte den Ton lauter. Damals waren es Gjermund Hulkvist und Dagbladet gewesen, die berichtet hatten, dass die Polizei eine Tonbandaufnahme besaß, auf der Cecilia Linde erzählte, was ihr widerfahren war und wo sie gefangen gehalten wurde.
Wisting hörte einen Stuhl über den Fußboden schaben.
»Ich habe kein Interesse an einem Interview, wenn derjenige, der dafür verantwortlich war, dass ich unschuldig verurteilt wurde, einer von Ihren Kontaktleuten bei der Polizei ist«, sagte Haglund und schien ziemlich aufgebracht.
»Nicht Wisting«, versicherte der Journalist. Seine Stimme klang leise, aber angespannt. »Weiter oben.«
»Der Polizeijurist?«
»Sagen wir mal, dass er heute als amtierender Polizeichef tätig ist.«
Haglund rückte den Stuhl wieder näher an den Tisch, wie Wisting hörte.
»Und dass es sich lohnen kann, mit der Presse zusammenzuarbeiten«, fuhr der Journalist jetzt entspannter fort, nachdem er seinen Interviewpartner zum Bleiben überredet hatte.
Das Gespräch ging weiter, aber Wisting hörte nicht mehr zu. Der Journalist war so weit wie möglich gegangen, ohne seine Quelle beim Namen zu nennen. Aber es war weitaus mehr als ein vager Hinweis gewesen und hinterließ keinen Zweifel daran, wer ihm damals die Informationen gegeben hatte. Audun Vetti.
75
Roald Wisting war ein aktiver Mann. Seitdem er seine Tätigkeit als Arzt in einem Krankenhaus aufgegeben hatte und in Pension gegangen war, engagierte er sich ehrenamtlich in verschiedenen Vereinen und Gemeinschaften. Sowohl sein Stundenplan als auch Wistings lange Arbeitstage hatten zur Folge, dass Vater und Sohn einander kaum mehr als nur zwei Mal im Monat sahen, obwohl beide in Stavern wohnten. Als Ingrid noch lebte, war Wistings Vater jeden Sonntag zum Essen gekommen. Jetzt trafen sie sich ab und zu, um gemeinsam einen Kaffee im Goldenen Frieden zu trinken.
Wistings Vater ging gerne spazieren und war mit einer Kameratasche über der Schulter zu Wistings Haus gelaufen.
»Ich habe das Ding schon seit vielen Jahren nicht mehr benutzt«, erklärte er und stellte die schwarze Tasche auf den Couchtisch. »Aber ich habe es vorhin noch einmal getestet und dabei ein paar lustige Aufnahmen von Line und Thomas gefunden.« Er nahm ein Kabel aus der Tasche und zog den
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