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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hanswurst«, sagte Joe. »Bleib im Graben und sag kein Wort, wenn wir in die Nähe des Hauses kommen. Du kannst dein Leben nur retten, indem du mir hilfst, meine Tochter zu finden.«
    Vern stöhnte. »Dann sind wir fertig, oder?«
    »Dann sind wir fertig.«
    Keiner sagte dem anderen, was er damit meinte.
     
    Bei Sonnenaufgang kroch Sheridan unter der Pferdedecke hervor. Sie war überrascht, dass ihr wollener Schutzschild voller Raureif war, rappelte sich auf und versuchte, sich wieder Gefühl in Arme, Beine und Gesicht zu reiben. Hunger hatte sie keinen mehr - darüber war sie hinaus.
    Die Nacht war lang und schrecklich gewesen. Sheridan war dreckig und fühlte sich federleicht. Alles tat ihr weh. Ihr ganzer Körper schien von Kratzern, blauen Flecken und Dornen übersät.
    Endlich konnte sie ihre Umgebung erkennen. Er aber auch - das wusste sie genau.

    Statt auf den Felsblock zu klettern, wo sie vielleicht zu sehen war, kämpfte sie sich wieder durch die Wacholdersträucher am Fuße des Felsens. Sie achtete darauf, dass die Blätter dabei nicht zu stark raschelten.
    Wacey stand nicht im Hof. Also war er entweder drin oder schlich sich schon an. Unglaublich, dass sie tatsächlich eingeschlafen war. Hoffentlich nicht für zu lange.
    Dann fiel ihr ein Stück weiter entfernt an der Bighorn Road etwas auf - die Reflexion der Morgensonne in einer Windschutzscheibe. Da hinten stand ein grüner Pick-up, genauso einer wie Dads. Er war in den Bäumen abgestellt. Und weiter vorne zwischen Haus und Pick-up bewegte sich was im Straßengraben. Zwei Männer gingen durchs hohe Gras. Der erste war dick und trug einen langen, wallenden Bademantel. Und dahinter kam ihr Dad!
    Sheridan atmete tief ein, kletterte um den Felsblock herum und rannte den Hang runter.
     
    Wacey stand am kaputten Küchenfenster und nippte an seinem frisch aufgegossenen Kaffee. Als er am Abhang etwas Farbiges aufblitzen sah, trat er einen Schritt zurück, nahm sein Fernglas vom Tisch und blickte hindurch.
    Sheridan Pickett rannte mit im Sonnenlicht wehendem Blondschopf den Hügel runter, als brenne der Boden unter ihr.
    »Na bitte.«
    Er hatte langsam geglaubt, sie sei vielleicht doch nicht da oben und das Heulen in der Nacht sei womöglich von einem Puma oder einem Kojoten gekommen. Die Jungen hörten sich manchmal so an.

    Die nächste Aufgabe war wirklich nicht angenehm - aber notwendig. Genau wie das Abfackeln der Miller-Wiesel.
    Mann, dachte er, wie tief bin ich gesunken! Erst hab ich drei schwer bewaffnete Jäger umgebracht, dann eine unbewaffnete Frau niedergeschossen. Und jetzt warte ich auf ein siebenjähriges Mädchen. Merkwürdig, aber das fällt mir gar nicht so schwer. Ich werd einen verdammt guten Sheriff abgeben. Schließlich versteh ich genau, was in Verbrecherköpfen vorgeht.
    Wacey stellte die Kaffeetasse auf den Tisch. Er wollte schon nach seinem Gewehr greifen, aber womöglich würde sie wieder den Berg hochrennen, wenn sie ihn damit aus der Tür kommen sähe. Er wollte ihr nicht nachrennen oder sie vielleicht mit einem Schuss aus größerer Entfernung verfehlen. Sie war verflixt schnell für ihr Alter. Besonders als Brillenträgerin, dachte er. Er würde besser warten, bis sie hinterm Haus war, und dann rauskommen und sie einholen. Er kannte ein Sumpfloch am Fuße des Wolf Mountain, wo ein paar Jäger mal ein angeschossenes Wapiti verfolgt hatten. Das Tier war in den Sumpf geraten und - sehr zum Leidwesen der Jäger - darin versunken. Das war der geeignete Ort, um eine Leiche verschwinden zu lassen. Erst recht, wenn er sie mit Steinen beschwerte.
    Als sie schließlich durchs Hoftor kam, trat er auf die Veranda.
    Kaum sah sie ihn, erstarrte sie. Ihre grünen Augen waren jetzt riesig - riesig! Er versuchte es mit seinem freundlichsten Lächeln.
    Merkwürdig aber, dass diese Augen von seinem Gesicht rüber zur Hausecke glitten. Er folgte ihrem Blick.

    »Wacey«, sagte Vern mit tiefer Stimme. »Das war’s, Kumpel. Wir sind jetzt fertig und sollten die Beine in die Hand nehmen, solange wir noch abhauen können.«
    Wacey drehte sich irritiert zu ihm. Vern schien einfach aus dem Bett gekrochen und den ganzen Weg aus Saddlestring hergelaufen zu sein.
    »Du siehst echt schlimm aus, Vern«, sagte Wacey. »Was hast du gemacht? In die Hose gepisst?«
     
    Joe kam von der anderen Seite ums Haus. Wacey stand mit dem Rücken zu ihm und sah Vern an. Sheridan war ein Stück entfernt. Ihre Sachen waren zerrissen, und sie war über und über mit Dreck

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