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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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reingekommen ist und mir erzählt hat, Marybeth sei niedergeschossen worden. Er hat gesagt, Wacey habe ihn mit dieser Nachricht zu mir geschickt. Kurz darauf haben Evelyn und ich Feierabend gemacht und sind hierhergekommen.« Vern hielt inne und schoss Joe einen verdrossenen und zugleich anklagenden Blick zu. »Ehrlich gesagt, Joe - ich weiß nicht, wie du überhaupt auf die Idee kommst, ich könnte in den ganzen Kram verwickelt sein, über den du dich neulich stundenlang beklagt hast.«
    »Halt die Klappe, Vern. Du steckst da so tief drin, dass du nicht mehr rauskommst.«
    »Joe, ich …«
    »Schnauze!«, fuhr er ihn an. Sein Finger legte sich fester um den Abzug. Vern sah das und verstummte mit offenem Mund.
    »Hier.« Joe warf die Umschläge mit Clydes Fotos auf die Bettdecke. Vern war verwirrt, bis er den Inhalt eines Umschlags ausschüttete. Er schaute alle Bilder flüchtig an und schnippte jedes mit seinen Wurstfingern aufs Bett. Als spiele er Karten.
    »Das sind lausige Aufnahmen«, fuhr Joe fort. »Genau wie alle anderen von Clyde Lidgard. Wenn man’s nicht
weiß, kommt man gar nicht auf den Gedanken, dass all die braunen Pelzdinger auf dem Boden die letzten Miller-Wiesel auf Erden waren.«
    Vern steckte die Bilder wieder in den Umschlag und nahm den zweiten.
    »Die Negative sind natürlich woanders - diese Möglichkeit kannst du gleich abhaken«, sagte Joe.
    Beim Anschauen der Fotos schien Vern zu schrumpfen. Für kurze Zeit stand ihm die umfassende Niederlage ins Gesicht geschrieben.
    »Klar - die meisten Aufnahmen sind so mies, dass man nichts erkennt. Aber Clyde hat’s eben doch geschafft, einige richtig gute Fotos von dir und Wacey in den Bergen zu machen. Auf einem ragt sogar ein Päckchen Patronen aus deinem Rucksack. Und zwar die gleichen, die ich da oben gefunden habe.«
    Vern räumte die Fotos wieder ordentlich in den Umschlag und hielt den Kopf dabei gesenkt. Als er aufschaute, sah er verletzt aus.
    »Wo hast du das alles gefunden? Woher wusstest du, wo du suchen solltest?«
    »In Barretts Apotheke«, antwortete Joe. »Clyde Lidgard hat’s mir erzählt. Er hat mir alles erzählt.«
    »Clyde Lidgard?«
    »Ich bin nicht zum Reden hier. Du musst reden. Aber jetzt, Vern, hast du zwanzig Sekunden, um dich anzuziehen. Denn wir verschwinden gleich und suchen meine Tochter.«

36
    Joe raste auf der Bighorn Road aus der Stadt. Die rechte Hand hatte er am Lenkrad, die linke mit schussbereitem Revolver im Schoß. Der Lauf war auf Verns fetten Bauch gerichtet. Im Osten wurde der Himmel allmählich hell, und die Sterne funkelten nicht mehr so stark wie zuvor. Der Morgen war kalt und klar, die Straßen ausgestorben. Joe hatte das Gefühl, Vern und er seien ganz allein auf einer Welt, die sie selbst geschaffen hatten.
    Sie fuhren zu Joes Haus zurück. Da Marybeth Sheridan eingeschärft hatte wegzulaufen, bestand die Aussicht, dass sie sich noch irgendwo in der weiteren Umgebung des Hauses befand. Jedenfalls musste die Suche dort beginnen.
    Vern trug eine ausgeleierte Jogginghose, T-Shirt, Hausschuhe und Bademantel. Joe hatte ihm nicht mehr Zeit zum Anziehen gelassen. Als Vern den Wandschrank geöffnet hatte, um seine Sachen rauszunehmen, hatte Joe den Kolben einer Pistole auf dem obersten Regalbrett gesehen und Vern befohlen, den Schrank zu schließen und anzuziehen, was auf der Kommode lag.
    »Jetzt könnt ich’nen Schnaps vertragen«, sagte Vern.
    »Halt den Mund.«
    »Tut mir wirklich leid, dass sich das so entwickelt hat, Joe. Und dass du überhaupt da reingezogen wurdest.«
    »Halt den Mund.«
    »Ich bin Unternehmer.« Verns Stimme wurde lauter. »Ich werde völlig missverstanden. Ich gehöre zu einer gefährdeten Art, genau wie du. Tut mir leid, dass ich dir
diesen guten Job nicht geben konnte, als du ihn endlich wolltest. Vor allem, da er jetzt wieder zu haben ist. Das hast du bestimmt nicht gewusst, hm?«
    Joe schnaubte nur. Der versucht es einfach immer wieder. Der gibt nicht auf.
    »Fast unglaublich, wie sich das alles entwickelt hat«, stöhnte Vern. »Was da für ein Schlamassel draus geworden ist!«
    »Sprechen wir lieber übers Vermasseln - war dir Les Etbauer in der Zentrale noch was schuldig?«
    »Der ist mir immer noch jede Menge schuldig«, seufzte Vern. »Ich hab ihm seinen gemütlichen Job besorgt und ihn ein paar Mal gedeckt, als er zu besoffen gewesen ist, um zu arbeiten.«
    Joe ächzte nur. So was hatte er sich schon gedacht.
    »Mir sind’ne Menge Leute was schuldig«, meinte Vern.

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