Jagdsaison. Roman.
umgebracht.«
»Sie sagen es Ntontò auch dieses Mal, nicht wahr?« fragte der Baron nach einer Pause den Apotheker.
Fofò schwieg eine ganze Weile. Ihm war klar, daß hier ausgezählt wurde.
»Nein, ich sage es ihr nicht. Lassen wir sie im Glauben, daß Impiduglia sich davongemacht hat. Ich weiß nämlich nicht, wie sie die Nachricht von einem weiteren Todesfall aufnehmen würde. Ihre Nerven sind stark angegriffen.«
»In Ordnung, soll er ruhig der Marchesina den neuen Toten verschweigen. Gut tut er daran«, sagte der Postbeamte Colajanni später im Zirkel. »Aber die Sache ist damit nicht aus der Welt geschafft.«
»Ich begreife nicht, worauf Sie hinauswollen«, entgegnete Baron Uccello nervös. Er wußte, was ein ganz bestimmter Tonfall bei Colajanni zu bedeuten hatte.
»Ich will nirgendwo hinaus. Ich rechne nur zusammen.«
»Was zum Teufel rechnen Sie?«
Colajanni hob den rechten Daumen und fing an: »Don Federico, Rico, Donna Matilde, Don Filippo, Don Totò, die Signora Harriet, Petru, die Negerin und Nenè Impiduglia.«
Als er mit der Aufzählung zu Ende war, blieb ihm nur noch der kleine Finger der linken Hand zu öffnen. »Und damit sind wir bei neun. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
»Nein, der Herr, das haben Sie nicht. Sie müssen lateinisch sprechen.«
»Lateinischer als so? Ich will nur sagen, daß die Marchesina größeres Unheil als ein Erdbeben anrichtet.«
Geistesgegenwärtig hielt Oberleutnant Baldovino den Baron am Kragen fest, ansonsten hätte dieser dem Postbeamten das Gesicht demoliert.
Aber die bösen Worte waren nun mal ausgesprochen und bahnten sich mühelos ihren Weg durch das ganze Dorf; wie man weiß, ist die üble Nachrede leicht wie ein laues Windchen. Und Ntontò trieb die Sache noch auf die Spitze. Da sie nachts nicht schlafen konnte, spazierte sie mit einer brennenden Kerze in der Hand von einem Zimmer zum nächsten, und da sie auch unter Hitzewallungen litt, mußten die großen Fenster offen bleiben. So konnten die Vigateser, die spät zu Bett gingen, und die anderen, die sich frühmorgens erhoben, ihr Treiben beobachten und bekamen es mit der Angst zu tun.
»Sie hat immer ein tränennasses Taschentuch vor dem Mund«, sagte der eine.
»Und der Blick ist der einer Wahnsinnigen«, meinte ein anderer.
»Ich habe sie eines Nachts lachen hören«, fügte ein Dritter hinzu, »richtig hysterisch, daß einem die Haare zu Berge standen.«
Die Mitglieder der Familie Agrò entdeckten durch reinen Zufall und voller Entsetzen, daß sie mit Ntontò Peluso Cousins zehnten Grades waren. Abergläubisch, wie sie waren, bezahlten sie eine Alte, ein As auf dem Gebiet der Beschwörungen.
Der Apotheker entdeckte darauf an seiner Haustür ein riesiges rotes Amuletthorn mit einem Zettel: »Für Deine Besuche bei der Marchesa.«
Eines Morgens öffnete Mimì das Eingangstor des Palazzos und sah zwei lebende Hühner an der Klinke baumeln. Er wartete ein Weilchen, daß jemand käme, um die Viecher wieder abzuholen, und da sich keiner präsentierte, band er sie los, drehte ihnen den Hals um und kochte eine Brühe daraus. Er hatte keine Ahnung, daß Sarò Miccichè, Vater eines schwerkranken dreijährigen Söhnchens, die Hühner mit Absicht dort gelassen hatte. Die Ärzte, auch die in Palermo, schüttelten nach jeder Visite den Kopf und verabreichten dem Knaben Heilmittel, aber ihre Skepsis hielt an.
Eine Woche nachdem Sarò Miccichè die Hühner aufgehängt hatte, geschah etwas Großartiges: Der Bub ward geheilt und hüpfte zwei Tage später schon durch die Straßen.
Seit diesem Ereignis verging kein Morgen, ohne daß Mimì beim Öffnen des Haustors nicht Weißbrote, allerlei Gemüse, Lammviertel, Käseräder, Würste, Ricottaschalen, Cassate, Cannoli und vieles mehr vorfand.
»Ntontò muß dem lieben Gott danken, daß wir nicht in den Zeiten der Inquisition leben«, stichelte der Postbeamte. »Ansonsten hätte selbst der Heilige Geist in Person sie nicht vor dem Scheiterhaufen retten können.«
Doch mit einemmal verpuffte die Angelegenheit, erstens, weil die Leute merkten, daß trotz der Offerten an die Marchesa alle, die sterben sollten, ins Gras bissen, und die anderen, denen dieses Schicksal zunächst erspart bleiben sollte, ihr Leben weiter fristeten; zum zweiten, weil die Überbringer der Geschenke sich an manchen Tagen Baron Uccello gegenübersahen, der herumbrüllte und Arschtritte und Peitschenhiebe verteilte.
Dann kam Ntontò selbst wieder zur
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