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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Nichte sehen. Lassen Sie ihn wissen, daß sie sich unwohl fühlt.«
    »Ich werde es ausrichten«, sagte der Priester und erhob sich. Im Hinausgehen fragte er: »Darf ich wissen, in welcher Befugnis der Herr Baron anwesend ist?«
    »Als Zeuge. Ich will nicht, daß meine Worte in entstellter Form die Runde machen. Apropos Befugnis, wenn Sie Ihrem Schützling ein tröstliches Wort zukommen lassen wollen, dann sagen Sie ihm, daß einzig und allein seine adlige Herkunft ihn befugt hätte, Ntontò zu ehelichen.«
     
    Vier Stunden reichten aus, und ganz Vigàta – mit Ausnahme von Ntontò – war im Bilde, was für ein Typ Nenè Impiduglia war und welche Szene sich zwischen Don Totò und Padre Macaluso abgespielt hatte. Die einzige, der es ein reines Vergnügen war, daß Nenè Hausarrest hatte, war Frau Clelia.
    »Stimmt es, daß sie dich verurteilt haben?«
    »Ja.«
    »Mach mir’s noch mal, mein Gott, das ist ja wunderbar! Mehr noch, mehr! Halt still, Nenè, jetzt machen wir es so herum.«
    Hundert Augenpaare waren auf Impiduglia geheftet, als die Frist der drei Tage abgelaufen war und er seine Schritte von seiner winzigen Bude zum Haus mit den Säulen lenkte. Es dunkelte.
    Als Nenè in die Augen des Marchese blickte, der in seinem Arbeitszimmer saß, bekam er es mit der Angst zu tun. Für ihn stand ohne Zweifel fest, daß es die Augen eines kaltblütigen Mörders waren. Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber seine Zunge war aus Blei.
    »Wasser«, brachte er schließlich heraus.
    Der Marchese rührte sich nicht, er fixierte ihn wie eine Schlange, kurz bevor sie die Ratte verschluckt. So kehrte Nenè ihm den Rücken zu, ging den Korridor entlang, der Duftwolke eines Kaninchens nach Jägerart folgend, und gelangte in die Küche. Nettie war nicht da. Auf dem Fensterbrett stand ein irdener Krug, der Wassertropfen ausschwitzte. Er hob ihn hoch und trank. Nachdem er erledigt hatte, was zu tun war, ging er ins Arbeitszimmer zurück.
    »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich den dritten Vorschlag annehme.«
    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, öffnete Don Totò eine Schublade, zog einen dicken Umschlag heraus und warf ihn Impiduglia hin. »In Amerika«, sagte er, »hätte ich mir dieses Geld ersparen können. Danken Sie Gott, daß wir nicht in Amerika sind.«
    Nenè steckte das Kuvert in die Hosentasche. »Und wer sagt es Ntontò?«
    »Darum kümmere ich mich, keine Sorge.«
    Impiduglia machte kehrt und ging hinaus.
    Don Totò fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, atmete tief durch und läutete nach dem Dienstpersonal. »Es ist alles zu Ende, Petru«, sagte er zu seinem Sekretär, kaum war dieser eingetreten. »Er hat das Geld genommen. Was anderes war ja von einem solchen Galgenvogel nicht zu erwarten. Tu mir einen Gefallen, geh zu Ntontò und sag ihr, daß ich morgen zu ihr zum Mittagessen komme.«
    »Kommt auch Ihre Signora mit?«
    »Nein, Harriet langweilt sich zu Tode, sie versteht kein Wort von dem, was wir reden. Für sie ist die Reise hierher ein großes Opfer. Aber in wenigen Tagen kehren wir nach Amerika zurück.«
     
    Ntontò wartete bis nach zwei Uhr, daß der Onkel zum Palazzo käme. Als sie ihn immer noch nicht sah, überfiel sie große Unruhe. Sie hatte gleich begriffen, daß Don Totò beim Mittagessen mit ihr über Nenè sprechen und den Grund für seine Haltung erklären wollte. Sie schlug Peppinellas Rat aus, sich zu Tisch zu setzen und schon mal mit dem Essen anzufangen, und schickte statt dessen Mimì zum Haus mit den Säulen, um zu hören, was vorgefallen war. Mimì klopfte an Don Totòs Haustor: keine Antwort. Zwei Dinge versetzten ihn in Alarm: Obwohl es Mittagszeit war, brannte im Innern Licht, und zum anderen kroch unter der Tür Gestank von verbranntem Fleisch hervor. Wie der Blitz war er beim Kommissar Porterà, der keine Zeit verlor und die Tür eintrat. Bei dem Anblick, der sich dem Kommissar, einem seiner Männer und Mimì bot, nahmen alle drei gleichzeitig den Hut ab. Sie schienen in einem Museum mit Wachsfiguren zu sein.
    Um den runden Tisch, der zum Essen gedeckt war, saßen Don Totò, der gerade eine Gabel Spaghetti zum Mund führte, Frau Harriet, die sich den Mund mit einer Serviette abtupfte, und Petru, der den rechten Arm nach einer Scheibe Brot ausstreckte. In der Küche hatte sich auch Nettie mit einem Teller auf den Knien hingehockt, den Blick auf den inzwischen erkalteten Herd gerichtet, auf dem ein Topf mit einem schwarzverkohlten Kaninchen nach Jägerart stand.

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