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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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dem Friedhof zurück und überlegte, was sie wohl in diesen entlegenen Ort geführt hatte. Großstadt, schrie ihre gesamte Erscheinung, und auch wenn sie dialektfrei sprach, war er sich sicher, es mit einer Wienerin zu tun zu haben. Doch eine Wienerin in W.? In diesem einfachen Wirtshaus? Sie wirkte mehr wie der Typ, der Sojasprossen und Garnelen, zubereitet im Wok, mit Stäbchen von Designergeschirr aß.
    Wer war sie, und was wollte sie hier? Und wo, um Himmels willen, gab es Lederjacken in einer so entsetzlichen Farbe zu kaufen? Rot, dachte er düster. Ausgerechnet Rot.

2 Das Geheimnis flüstert!
    Schwarz oder Weiß? Ich zögerte. Das ewige Dilemma der Frau und ihrer Unterwäsche. Schuld an der regelmäßig auftretenden Unsicherheit sind, wie bei so vielen Punkten, die Männer, weil sie so schwer zu durchschauen sind. Wenn sie sich nach dem reinen, weißen Plüschengel sehnen, dem sie am Frühstückstisch dämlich grinsend drei Löffel Zucker in den Milchkaffee kippen und den sie »Schatzi« nennen können, dann schrecken schwarze Spitzen sie womöglich ab. Aber andererseits wirkt die weiße Vernunftgarnitur nicht bieder im Fall des Falls? Denn es ist ja ohnehin nur der Fall des Falls, um den es meistens geht. Schließlich sind wir nicht so leicht zu kriegen, dass wir beim ersten Date gleich in seinem Schlafzimmer landen, oder? Trotzdem ist es erstaunlich, dass kaum eine Frau sich vor dem ersten Date keine Gedanken über ihre Unterwäsche macht, auch wenn es so weit gar nicht kommen soll.
    Ein schlichtes weißes und ein äußerst transparentes schwarzes Palmers-Set lagen vor mir auf dem Bett in meiner Fünf-Mäuse-Luxussuite im Wirtshaus »Zur Gifthütte«, während ich mir in aller Ruhe die Zehennägel zartrosa lackierte. Zeit hatte ich genug, denn vor meinem Fenster übte der Weltuntergang gerade, ob es theoretisch möglich war, die Welt samt Menschheit einfach zu ersäufen. Totzuregnen.
    Zu meiner großen Freude hatte mir der Blind-Date-Pädagoge
ja zu Mittag endlich geantwortet und wünschte mich nun heute Abend, also in etwa fünf Stunden, im Wirtshaus zu treffen. Seine SMS lieferte mir auch nach dem zweiundzwanzigsten Mal Lesen keine genaueren Informationen darüber, was er von meinem Spontanbesuch hielt oder von diesem Abend erwartete, aber darüber sah ich großzügig hinweg. Obwohl, ein kleiner freundschaftlicher Rat konnte nie schaden, weshalb ich die betreffende Message kurz entschlossen an Sorina weiterleitete, ehe ich mich meinen Fingernägeln zuwendete. Die Antwort kam schneller, als mein Sekundennagellack trocknen konnte. Das Handy klingelte schrill in dem stillen Wirtshauszimmer, und ich griff mit gespreizten Fingern danach.
    »Schwarz mit Spitze, unbedingt! Und am besten auch halterlose Strümpfe. Hast du kürzlich gewachst?«
    »Äh, Sorina, das ist ein Blind Date.«
    »Und?« Sie stöhnte ungeduldig. »Glaubst du, deshalb ist er blind oder so? Bring dich in Form, meine Gute, du bist keine neunundzwanzig mehr! Unsereiner muss sich kunstvoll verpacken, heben, straffen, glätten, kaschieren. Damit ist nicht zu spaßen! Apropos Verpackung, du hast jede Menge Post von deinem Verlag bekommen. Nachdem du per Mail nicht erreichbar bist, schicken sie dir jetzt so gefährlich dicke Einschreiben.«
    Ich schnitt eine Grimasse. Die Deadline! Kommt Deadline eigentlich von Tod? Stirbt man qualvoll und unter Schmerzen, wenn man sie unvorsichtigerweise überquert? Bilder von diesen humoristischen Schatzhöhlenfallen aus den Indiana-Jones-Filmen schossen mir durch den Kopf. Da hebt man ein Steinchen, und auf einmal fährt die mit Messern besetzte Felsdecke von oben herunter, und man ist ruck, zuck Schatzräuber am Spieß. Allerdings ist Harrison Ford immer irgendwie entkommen.
Nur wie? Ich puste nervös auf die Nägel meiner linken Hand.
    »Ich kümmere mich darum, sobald ich wieder in der Stadt bin.«
    »Und wann ist damit zu rechnen, du Landkind? Oder trägst du bereits Dirndl und pflückst Edelweiß auf der Alm?«
    »Blödsinn. Aber hier ist irgendwas im Busch, das rieche ich.«
    »Ein dekoratives Häufchen Hundedreck?«
    »So ähnlich.«
    »Dafür brauchst du aber kein Bergkaff. In Wien sind die Gehsteige voll davon, du kannst sie dir täglich von den Absätzen kratzen.«
    Ich musste grinsen. Manchmal war es herrlich erfrischend, wie Sorina die Welt sah.
    »Hör zu, es kann sein, dass ich hier auf etwas gestoßen bin. Ich war auf dem Friedhof, und da war ein Kindergrab. Gruselig, mit so Diddlmausverzierung.

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