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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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gute Mann, verdammt noch mal, recht gehabt!«
    »Und warum sind Sie in Gefahr?«
    »Gute Frage, Herr Alt. Aus demselben Grund wie Mimmer. Ich weiß zu viel. Oder, um Einstein zu zitieren: ›Zu wenig Wissen ist gefährlich. Zu viel Wissen auch‹.«

    Adrian strich sich die widerspenstigen Haare aus dem Gesicht und wartete mit seiner nächsten Frage, bis er seine Ungeduld unter Kontrolle hatte. Offensichtlich war Unterberger aus einem anderen, dunkleren Holz geschnitzt als die übrigen Einwohner von W., sei es durch Mimmers Einfluss oder durch die Isolation. Er sprach Hochdeutsch, schien belesen oder zumindest redegewandt, und in dem Blick seiner schwarzen Augen verriet sich eine verstohlene Schlauheit. Adrian fragte betont beiläufig: »Wollen Sie damit andeuten, dass Mimmers Unfall gar kein Unfall war? Ich habe gelesen, er ist am Ortsrand mit seinem Wagen verunglückt. Vor - wie lange? Das ist über vierzig Jahre her, oder?«
    »Fünfzig. Beinahe.«
    Der Unterberger legte den Kopf schief. Er war tatsächlich klüger, als er aussah. Es würde nicht leicht werden, Informationen aus ihm herauszuholen. Adrian blieb nichts anderes übrig, als in die Offensive zu gehen. Wenn er hier die nötigen Angaben nicht erhielt, war er in großer Gefahr. Lange konnte er in W. nicht mehr bleiben.
    »Hören Sie, Herr Unterberger, ich bin von außerhalb, und alles, was ich will, ist ein Zugang zu Mimmers Denkweise. Ich will niemanden in Gefahr bringen und mich keinesfalls in Ihre persönlichen Angelegenheiten einmischen. Erzählen Sie mir einfach von Mimmer.«
    Es war besser, die Chronik noch nicht zu erwähnen. Unterberger würde sie von selbst ansprechen, da war Adrian sich sicher. Er spürte das Bedürfnis des Mannes, sich jemandem mitzuteilen, er musste nur abwarten und die Art und Weise dem anderen überlassen. Darin war er gut, das wusste er, damit kam er meist ans Ziel. Nur Geduld!

    »Mimmer. Was gibt es denn da noch zu sagen? Sie können alles in Büchern nachlesen. Sehe ich so aus, als hütete ich Dichtergeheimnisse? Ich habe ihn gekannt, aber kaum besser oder schlechter als jeder andere. Mimmer war ein Einzelgänger, der sich niemandem anvertraut hat. Also erwarten Sie keine Enthüllungen von mir.«
    Der Unterberger trat nach einer leeren Flasche, die direkt vor seinen Füßen stand. Adrian hatte eine Idee. Ob sie funktionieren würde?
    »Sie wollten mir Ihre Sammlung zeigen.«
    »Wie?«
    Der Unterberger starrte immer noch die Flasche an.
    »Ihre Sammlung. Beim Reinkommen haben Sie mich gefragt, ob ich Ihre Sammlung sehen möchte. Nun, gerne. Sammlungen sind ein interessanter Zeitvertreib. Ich sammle zum Beispiel Lexika. Ich besitze mehrere Bücherregale voll, in diversen Sprachen und aus den unterschiedlichsten Epochen. Wissen fasziniert mich. Verraten Sie mir, was Sie fasziniert?«
    Es war die richtige Frage. Adrian merkte, wie das Feuer in den dunklen Augen seines Gegenübers aufloderte.
    »Faszination ist eine sehr eigene Sache, Herr Alt. Überall dort, wo wir mehr vermuten, als von außen zu erkennen ist, erwacht unsere Neugier. Sei es Wissen«, er warf Adrian einen langen Blick zu, »oder Magie.«
    »Magie?«
    Der Unterberger nickte leicht und ging wortlos zurück in den Korridor. Adrian folgte ihm mit klopfendem Herzen. Worauf hatte er sich bloß eingelassen?
    Eine Holztreppe führte ins Obergeschoss. Sie knarrte gefährlich bei jedem Schritt, doch das war nicht das einzige Geräusch,
das Adrian irritierte. Da war ein Rauschen, als schüttelte jemand kräftig Daunendecken aus, und gelegentlich eine Art Pfeifen wie von verschiedenen Teekesseln. Der üble Geruch war hier um einiges stärker als im Wohnzimmer. Adrian war froh, kein Frühstück gegessen zu haben, da sein Magen rebellierte und er sogar trocken würgen musste, als der Unterberger die Tür am oberen Ende der Treppe öffnete. Den Arm vor Mund und Nase gepresst, trat Adrian über die Schwelle und sah sich fassungslos um.
     
    Adrian schüttelte sich beim Gedanken an den Geruch in diesem seltsamen Zimmer, selbst jetzt, in seiner sicheren Ecke im Wirtshaus, musste er einen Schluck Milch trinken, um den bitteren Nachgeschmack von seiner Zunge zu entfernen. Die Geräusche dort hatten ihm noch lange in den Ohren geklungen.
    Magie , dachte er. Magie? Zu viele Fragen, zu viele Geheimnisse. Und immer noch keine Antworten, kein Beweis. Das Puzzle ergab kein Bild.
    Ebenfalls ein Rätsel war ihm die Fremde, die am Vorabend angereist war. Er dachte an die Begegnung auf

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