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Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Toman
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das waren einige Tote aus dem vorigen Jahrhundert, und da ist man definitiv nicht so alt geworden .
    Ach verdammt, was kümmerte das mich? Von mir aus lag es an den Genen, oder die Höhenluft war verantwortlich, meinetwegen auch das Wasser aus den Bergen, die spezielle Mineralienkombination, ganz egal, nicht mein Problem, gut für die W.ler! Irgendeine naturwissenschaftliche Erklärung würde es schon geben. Gab es die nicht für alles? Viel wichtiger war die Tatsache, dass all der Gruselspuk dazu geführt hatte, meine Schreibblockade zumindest ein wenig zu lösen. Es konnte keinesfalls schaden, im Zuge meiner amourösen Anwesenheit noch ein wenig in den Tiefen von W. zu graben. Man konnte ja so allerhand Brauchbares entdecken. Ich musste nur dranbleiben.
    Ich stieg aus der Dusche, wickelte mich in ein grau verfärbtes, muffig riechendes Badetuch, das definitiv nicht mit Fewa-Wolle gewaschen war, und begann, mir die Augenbrauen zu zupfen, wobei ich vor Schmerz den Mund verzog und herzhaft nieste. Nun, bitte, wieder so ein Naturphänomen, dessen Erklärung mir bisher entgangen war: Warum brachte mich Augenbrauenzupfen immer zum Niesen? Ich beschloss, den Schnüffler
danach zu fragen, sollte er mir noch einmal in die Quere kommen, eine Idee, die mich zum Kichern brachte.
    Vollständig mit duftender Bodylotion eingecremt, mit sorgfältig enthaarten Beinen und mehrfach gewaschenen Haaren, bettete ich mich, halb sitzend, um die Abendfrisur nicht zu gefährden, auf mein hartes, quietschendes Bett, deckte mich mit dem Laken zu und entspannte mich. Es war kurz vor vier Uhr, ich konnte mir also noch ein Schläfchen genehmigen, bevor die Stylingorgie begann.
    Eine angenehme Schläfrigkeit überkam mich. Eigenartig war nur dieses Geräusch genau hinter mir. Ein penetrantes Rascheln an dem Kopfteil meines Bettes. Da musste wohl ein Falter oder eine Fliege ins Zimmer gekommen sein. Träge drehte ich mich um und blickte fassungslos in zwei dunkle Knopfaugen. Eine schnüffelnde Schnauze zuckte unruhig in der Luft, etwa zehn Zentimeter von meiner Nase entfernt. Ich konnte sogar in ein, zwei surrealen Sekunden, die vergingen, bevor ich schreiend aus dem Bett hüpfte, sehen, wie mein Atem die hauchdünnen Barthaare der Maus bewegte, die auf dem Kopfteil hinter mir saß.
    Einem ersten und wohl auch richtigen Impuls folgend, griff ich nach dem Tier, in der Absicht, es sofort aus meinem Zimmer (meinem Bett!) hinauszubefördern. Ich wollte verhindern, dass es hinter oder unter ein Möbelstück floh. Ich wollte es auch vor der Mausefalle retten, denn wenn ich etwas nicht leiden konnte, dann blutrünstige Tötungsmaschinen oder ihr Leben aushauchende Pelztierchen. Leider hatte die Maus andere Pläne und schlüpfte problemlos aus meinem vorsichtigen Griff. Ich sah mich schon mit der traumatischen Tätigkeit des Mausefallenentsorgens beschäftigt, als mehrere Dinge innerhalb kürzester
Zeit passierten: Die Maus lief quer durchs Zimmer und verschwand in einem Spalt im Boden. Ich hechtete hinterher, verpasste sie um Millimeter, prallte dafür aber schmerzhaft auf die Bodendielen, die unter meinem Gewicht nachgaben. Fassungslos starrte ich in ein Loch von etwa zwanzig Zentimetern Durchmesser mitten in meinem Zimmer sowie auf den Gegenstand, der sich in dem Loch befand.
    Es klopfte.

3 Mondnacht
    Adrian Alt sah auf. Die Tür öffnete sich quietschend, nicht zu überhören. Jemand sollte sie ölen. Die Fremde betrat die Wirtsstube, die rote Jacke zog erwartungsgemäß die Blicke der Einheimischen auf sich. Er fragte sich, warum sie sich nicht unauffälliger kleidete, wenn ihr diese Aufmerksamkeit offensichtlich unangenehm war. Zu viel Make-up, außerdem. Selbstverständlich ignorierte sie ihn und wählte den am weitesten von ihm entfernten Tisch, nachdem sie sich suchend umgeblickt hatte. (War sie verabredet? Mit wem?) Sein Platz wiederum war nach Sichtbarkeit ausgesucht. Er konnte den ganzen Saal überblicken, was die Fremde augenscheinlich ärgerte. Mit wenigen Strichen markierte er ihre Position in einer genauen Skizze des Wirtsraumes. Demonstrativ drehte die Fremde ihm den Rücken zu. Natürlich. Er musste unbedingt herausfinden, wer sie war und was sie nach W. führte. Aber später, später.
    Erschöpft rieb er sich die Schläfen. Vergangene Nacht hatte er einen seiner Albträume gehabt. Früher hatte er öfters darunter gelitten, sogar Medikamente geschluckt, um die Träume zu betäuben, doch kein Mittel hatte Wirkung gezeigt. Dann war

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