Jage zwei Tiger
habe ich das wirklich gerade geschrieben?) erinnert, jedenfalls zu einem Meer von Effekten, irgendwie mystisch, völlig naiv, sehr weise und auf einer simplen Ebene all die in den vorangegangenen drei Minuten abgearbeiteten Abgründe auffangend, von denen die Bandmitglieder in ihrem zarten Alter faktisch gar nichts wissen konnten – aber genau aus diesem Grund waren sie ja überhaupt in der Lage, sie zu vertonen, verdammt. Diese simple, nachgeahmte, schlecht umgesetzte, nur auf direkt zugängliche Unterhaltung angelegte Entscheidung diverser zu dieser Zeit existierender Bands, einfach mal Musik zu machen und innerhalb derselben Woche bei einer High-School-Party in der Turnhalle und als Vorband der Doors (siehe oben) aufzutreten, spiegelte irgendwas wider, das Cecile sehr beeindruckte. Was könnte das wohl gewesen sein? Wenn man sich die ganze Kacke ansieht, mit der sie sich heutzutage auseinanderzusetzen hatte? Fast genau zur Zeit des Erscheinens von »Suzy Creamcheese« nannten sich fünf Jungs an der Ostküste »The Groupies«, im Gegensatz zu Teddy und seinen von ihren Vätern gemanagten Bandkollegen waren das wirkliche Verbrecher, gutaussehend, arrogant, musikalisch irgendwie unverschämt und bereits mit sechzehn in der Lage, durch lässige Nachahmungen Mick Jagger in den Dreck zu ziehen. Trotz des Ausbleibens eines wirklichen Hits galten sie kurzzeitig als eine der wichtigsten Bands New Yorks, das müssen unfassbare Liveperformances gewesen sein. Irgendwann hatten diese inzwischen siebzehnjährigen Typen einen wichtigen Auftritt in Philadelphia, tauschten die Tickets am Flughafen jedoch um und flogen stattdessen nach Los Angeles, um da völlig durchzudrehen. Diese Entscheidung gilt als das folgerichtige Ende ihrer Karriere durch Disziplinlosigkeit und wird bereits in ihrem einzigen veröffentlichten Song »Primitive« prophezeit oder wie auch immer man das nennen will. Und mehr muss man zu dieser schwerstsouveränen Single auch gar nicht hinzufügen, außer, dass deren Schöpfer für den Rest ihres Lebens Ceciles heimliche große Liebe sein würden, und natürlich auch die Lyrics:
What I don’t know can never hurt me / I live a life that’s working for me / What I respect you just can’t see / What you expect I’ll never be / The things I do you’d never try / What I get free you got to buy / I’m proud of my life / But don’t ask me why / Cause if I told you, I’d probably, Primitive that’s how I’ll live / Primitive I’ll take what you give / Cause I love and I live primitive.
Außerdem mochte sie schon immer die Starfires aus Cleveland und Spirogyra, die allerdings sehr viel hippiehafter und erst Anfang der Siebziger durch den unabhängigen Ausdruck ihrer Ansichten rumgehüpft sind. Zu allem Überfluss war Cecile dann irgendwann auch noch magersüchtig geworden, wie jedes Mädchen, dass schlau genug war, um verletzbar wirken zu wollen. Aber all das ist Vergangenheit, und die gehört ihr nicht. Es ist an dieser Stelle fast unnötig zu erwähnen, dass Cecile zu den weniger durchgeballerten Charakteren in diesem Roman gehört, aber sehr sympathisch ist. Und ja, scheiße, apropos Roman.
Gloria fragte: »Willst du nichts essen?«, und Cecile musste unweigerlich an all die Romane denken, deren Protagonisten am Esstisch ständig aus irgendwelchen Tagträumen hochschreckten. Sie fühlte sich schon wieder sehr allein gelassen. Gloria fügte hinzu: »Frank isst die Aubergine nicht, sondern nur den Salat, und ich esse die Aubergine aber trotzdem, also, es hängt von dir ab.«
Cecile antwortete: »Ich kenn dich besser als Frank«, und häufte sich einen Berg dieses zu einer schlammartigen Konsistenz gedünsteten Gemüses auf den Teller, es war alles wirklich furchtbar. Was blieb einem an dieser Stelle anderes übrig, als eine der Glaskaraffen an der Tischkante zu zerschmettern und sich mit den Scherben die Pulsadern aufzuschneiden, des Effekts wegen? Richtig, man tut so, als sei man nicht sprachlos, sondern arrogant, und wiederholt den irgendwann mal von Kurt Cobain zitierten Satz: »Es ist weder nötig zu hoffen, um etwas zu unternehmen, noch, erfolgreich zu sein, um durchzuhalten.«
Gloria und Frank guckten sich erstaunt an.
»Ist das von diesem komischen Prinz Wilhelm von Oranje?«, fragte Frank. Cecile zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung, von wem das ist, wer ist denn Prinz Wilhelm von Oranje, ist das irgendein Thronfolger?«
»Nein, das ist, ähm, dieser Typ ausm 80-jährigen Krieg,
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