Jage zwei Tiger

zu suchen habe.
    »Ach, die hab ich mal bei eBay bestellt«, sagte der Typ und lächelte die Ziege an. »Ich wollte die sozusagen nachgießen mit Beton, und dabei ist ihr leider ein Bein abgebrochen. Siehst du das Ding da vorne?«
    Er deutete auf einen in der Mitte dieses vorgartenähnlichen Gestrüpps platzierten Springbrunnen. Er war aus hellblau lackiertem, sehr detailliert bearbeitetem Beton und hatte exakt dieselbe Form und Größe wie die Ziege neben seinen Füßen. Aus dem Mund der Betonziege kam ein kleiner Wasserstrahl, und Kai fand sie toll, weil sie so freundlich und crazy aussah. Unvermittelt drückte der Typ ihm die ausgestopfte Ziege in den Arm und ging dann, noch bevor sich Kai hätte bedanken können, mit Detlev auf den Porsche zu. Kai blieb stehen, ließ seinen Blick von dem Magnolientopf in seinem linken Arm zu der Ziege in seinem rechten gleiten und überlegte, wo in seinem Zimmer er sie abstellen könnte. Dann lief er den beiden hinterher zum Auto. Detlev schlenderte im Kreis drum herum, während sein Kumpel ihm irgendwas zur Gangschaltung erklärte. Sein Blick fiel auf die Beifahrertür, die einem Totalschaden nahekam. Er fragte: »Was ist denn da passiert?«
    Und der Typ antwortete: »Gute Story«, zündete sich einen Zigarillo an und erzählte dann folgende sogenannte Anekdote:
    »Irgendwann stand hier so ne Art Dixiklo. Was heißt ›so ne Art‹, es war ein Dixiklo, eines dieser beknackten Teile, die an Veranstaltungsorten mit mangelnder Toiletten-Infrastruktur zum Einsatz kommen, aber doch nicht hier , zur Hölle. Es gab nicht mal ne Baustelle, es stand da irgendwann einfach, quasi direkt vor meiner Tür. Das störte mich erst mal nicht, aber eines Nachts fiel es um. Keine Ahnung warum, es war eigentlich relativ windstill gewesen, aber es lag da plötzlich, und diese nach Fäkalien und Chemie riechende Brühe sickerte raus, und es stank alles widerlich. Und ich rief die Polizei. Zum ersten Mal in meinem Leben. Ich hasse die Bullen. Ich hab damals in der heißen Phase mit der Meinhof zusammen Autounfälle gehabt und bin bestimmt an die sechs Mal nur knapp ner lebenslänglichen Inhaftierung entkommen, und das auch nur, weil ich mich selbst verteidigt hab, ist auch egal, ihr wisst, worauf ich hinauswill, ich bin jemand, der nicht mal eben die Polizei ruft. Oder eben doch, bei so nem Scheißdixiklo. Die Polizei kam dann tatsächlich und stellte das wieder richtig hin. Ich bedankte mich und vergaß das Ganze. Aber eine Woche später, zwei Stunden nachdem ich den Porsche gekauft und quasi direkt neben dem Dixiklo geparkt hatte, guck ich aus dem Fenster, und es war wieder umgefallen, direkt auf das Auto drauf. Ich glaube, das war irgendeine Art der Rache. Innerhalb von sieben Tagen die Polizei rufen und einen Porsche kaufen, das musste gerächt werden von irgendwelchen transzendentalen Mächten. Seitdem bin ich nie wieder eingestiegen. Sieht man ja.«
    Er schmiss seinen Zigarillo weg, an dem er kein einziges Mal gezogen hatte, und drückte Detlev die Autoschlüssel in die Hand. Detlev gab ihm im Gegenzug ein paar aus seiner Jackentasche gekramte Franken.
    »Bitte schön.«
    Sie verabschiedeten sich auf irgendeine verschmitzte Weise, und Kai setzte sich paralysiert mit der Ziege und der Blume auf den Beifahrersitz. Dann fuhren sie los, eine schwer zu durchschauende Route zurück nach München. An den Nazihäusern vorbei und den Palmen, durch die darauf folgenden Schneegebiete mit der guten Luft und an wie Öl anmutenden stillen Seen vorbei, durch glazial geprägte Gebirgslandschaften, ab und zu tauchten einige am Wegesrand entlanglaufende Eingeborene auf, die Alditüten in den Händen trugen und vermutlich »Oh When the Saints Go Marching In« sangen.
    »Willst du wissen, wie es weiterging? Da in der Klapse, als ich sie rausgeholt habe?«, fragte Detlev irgendwann, und Kai nickte.
    »Sie verabschiedete sich von den Pflegern, und die sagten alle freudestrahlend so Dinge wie: Na, das kann ja mal passieren. Oder: Das kommt in den besten Familien vor. Und vielleicht, Kai, stimmt das sogar. Verstehst du, was ich meine?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ist auch egal. Sie war krass, und ich will, dass du weißt, dass ich das wusste, die ganze Zeit, die du mit ihr alleine warst. Und dass ich schlechterdings nichts tun konnte, aber das ist ne andere Geschichte. Ich weiß noch, wie das war, da früher in unserer Wohnung, ab und zu trafen wir uns mit Freunden von mir, natürlich auch schön gesoffen und gekokst und