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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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jerichower Gerede, sie halte nicht auf sich. Horst war ein wenig nach Abschied, und er sah seine Schwester genauer an als sonst, bemerkte wohl die strähnigen, aufgelösten Flechten, hielt Lisbeth doch für das Kind, die Jüngere, auf deren Ruf von Hübschsein er oft sich etwas eingebildet hatte. Er sagte es ihr, ganz der große Bruder mit den geheimnisvollen und staunenswerten Entschlüssen, und sah sie erschrecken, als hätte sie sich geschnitten und wolle nun den Schmerz mit gepreßten Lippen abfangen. Dann vergaß er es, weil sie sich nach seiner Erwartung verhielt. Er hörte da das harmlose Mädchen, das ihn nach der Entfernung der Garnison von Jerichow fragte, die Kleine, die ihn bedauerte wegen des Krachs, den Albert Papenbrock ihm hinlegen würde. - Du Döskopp: setzte sie hinzu, wie in den Kinderzeiten, nur daß das Einverständnis in Herausforderung und Neckerei fehlte. Horst fiel gewiß auf, daß das Besteck jetzt etwas härter zur Seite flog, aber er hielt es für Eile, und sah doch, daß Lisbeth jetzt wegen der schwarzen Silberwatte Handschuhe trug und daß es das güstrowsche Familiensilber war, dem sie da Beulen anwarf. Horst war verwundert, daß das Kind sich vom Tisch weggedrückt hatte und endlich rasch über den Hinterflur weggetrabt war. Lisbeth wollte wohl in aller Stille auf sich nehmen, daß ihre Familie schon wieder Cresspahl behilflich war, ihr Schuld in den Nacken zu legen, aber sie konnte das nicht in Geduld tun.
    Du hast ihm das geraten, Cresspahl!
    Ach, Lisbeth. De Jung will sick vesteckn. Die Armee ist so ein schlechtes Versteck nicht.
    Noch. Und wenn Krieg ist?
    Lisbeth. Ich rat deinem Bruder nicht. Im Guten nicht, im Bösen nicht. Denn sie werden ihn ja nicht nehmen.
    Heinrich.
    Papenbrock brachte den Krach nicht zuwege. Er hatte augenblicklich die nötige Laune vorrätig, als Horst nach dem Essen seinen Austritt aus der Firma ankündigte; der Alte wußte nicht, womit den Ärger füllen. Er hatte den Jungen nach dem Ältesten geschickt; nun konnte er ihm nicht Arbeit zumuten für ein Erbe, von dem er den Hauptteil nicht bekam. Er hatte nicht versucht, jene Elisabeth Lieplow aus Kröpelin ins eigene Haus zu ziehen, obwohl sie nun eine Papenbrock war; konnte er Horst ein Leben mit der eigenen Frau verdenken? Er hatte den Jungen groß gezogen mit dem Gebot, daß ein Mann ein Soldat sei; es wäre ja Gehorsam gewesen, den er ihm verwiesen hätte. Albert war so genau getroffen, die Worte ließen ihn im Stich. Früher hätte er zugeschlagen. Er setzte mehrere Male an mit einem Du, Du -, aber Horst wartete in Ruhe ab, ob der Alte ihn einen Lümmel nennen werde, und hob eher bedauernd die Schultern, als der Vater auf die Tür zuschritt, als wolle er sie ohrfeigen, und hinter ihr mit ungeordnetem Brabbeln davonschlurfte. Horst hatte nicht einmal Trotz aufgeboten. Er war jetzt so alt wie seine sechsunddreißig Jahre. Papenbrock in seiner hilflosen Wut schlug blind um sich, von einem Tag auf den anderen. Er bestellte den schweriner Sohn nach Jerichow, der auch mitten in der Ernte anreisen konnte, in großem Wagen mit Chauffeur; Papenbrock bestellte Avenarius Kollmorgen, der erstaunlich gefügig antrat, die Mappe wichtig an der Hand, die Stirnrunzeln bedeutend aber ratlos gewölbt; Papenbrock bestellte als Zeugen Cresspahl. Der kam nicht. Er begriff wohl, daß der Alte sein Gewissen ruhiger betten wollte, indem er Cresspahl einen Teil zu tragen gab; so mitleidig war er nicht. Dr. Berling war gefällig genug. Als er seinen langen Endbuchstaben in schlapper Schleife an sein behäbiges B gehängt hatte, wußte die Gesellschaft in Papenbrocks Kontor nicht recht etwas zu reden; und sogar Avenarius gestand sich ein, daß er von solchem Mosel für gewöhnlich nicht müde wurde. Aber ihm fiel Passendes nicht ein, die schwüle dunkle Höhle des Marktplatzes vor den Fenstern zog ihn nicht aus dem Haus, und bevor er es schaffte, aus reiner Vorsicht sich zu empfehlen, hörte er Horst vor Zeugen erzählen, was Lisbeth Cresspahl am vorigen Sonnabend in der Eisenbahn, an der Station Wehrlich, von dem Gespräch zwischen dem Landarbeiter Warning und dem Forstaufseher Hagemeister mitbekommen hatte, etwas über den Umgang eines hochgestellten Parteigenossen mit einem jüdischen Tierarzt, vor der Ergreifung der Macht. Horst hatte nichts als eine Pause füllen wollen, und der Bruder aus den beiden Amerika beließ es bei langweiligem Kopfschütteln, als habe auch er genug von der albernen Rederei in oder zwischen

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