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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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ihm unerfindlich.
    Der Kaffee?
    Die Bank.
    Einem französischen Kreditgeschäft schreibt Mrs. Cresspahl auf französisch, was ihr Arbeitgeber wünscht. Einem italienischen auf –
    Aus Höflichkeit?
    Aus Pfleglichkeit, Mr. Weiszand.
    Und durch die psychologischen Gewinne werden die Personalkosten in der Tat aufgewogen -?
    Das ist nicht eben ein Geschäftsgeheimnis, nur daß nicht der es weiß, der daran arbeitet, sondern wer daran verdient. Fragen Sie meinen Vorgesetzten, Mr. Weiszand.
    De Rosny, Vizepräsident. Mr. Weiszand stellt das so gelassen fest, um die Ausfragerei im Gang zu halten, es ist ihm nicht aufgegangen, daß er eine Kenntnis verraten hat.
    Nicht de Rosny. Ein Vizepräsident und eine Sekretärin -! Nein: die Chefs der Büros für Italien und Frankreich, seltener der für Westdeutschland. Dort sind sie inzwischen des Amerikanischen mächtig.
    Und gibt es nicht jemand, der Mrs. Cresspahls Formulierungen überprüft?
    Es gab da Miss Gwendolyn Bates, eine Absolventin der Universität Vassar, Jahrgang 1918, aus der Depression und dem Heiratsmarkt gerettet durch die Bank, der Bank so ergeben, daß sie sich Arbeit machte, wenn keine da war. Bestellte die Übersetzer in ihr Büro und zog mit langem Bleistift aus hoch angehobenem Handgelenk Striche durch das Französisch, das zu ihrer Zeit nicht gesprochen wurde, nicht bösartig, nur aus Trauer herrschsüchtig. Dann bestand sie während einer Konferenz in Bern zu hartnäckig auf einer ihrer Formulierungen, alles zum Besten des Unternehmens, und bekam zum Abschied die Medaille des Präsidenten in Silber, und kein Bankett. Lebt jetzt bei Verwandtschaft in Colorado und schreibt stolze, reinweg sehnsüchtige Briefe. Immer noch nicht hat sie erfahren, daß es ohne sie abgeht, wie im skandinavischen und spanischen Sektor auch. Wenn Sie einmal nach Denver kommen, Mr. Weiszand, nehmen Sie die Bundesstraße 25 in Richtung Pueblo, wenden sich bei Greenland nach links -
    Das ist nicht, was Mr. Weiszand wissen will. Ob Mrs. Cresspahl nicht auch Russisch kann.
    Ach was, Weiszand. Sechs Jahre Russisch hat meine Klasse gelernt, und in der ganzen Stadt nicht ein Russe, mit dem wir hätten sprechen dürfen. Die hausten hinter hohen grüngestrichenen Zäunen, die Offiziere benutzten nicht die öffentlichen Verkehrsmittel, und wenn ein Gemeiner über die Bretter kletterte und war unterwegs nach nichts als einer Flasche Schnaps -
    Das weiß Mr. Weiszand. Wo immer eine Tatsache als antikommunistisch verstanden oder mißverstanden werden kann, nimmt er sie mit kurzem, zuschnappendem Nicken vorweg, hat Zustimmung vorgetäuscht und einen Tadel erteilt. Und will er nun noch einmal hören, daß diese Bank in New York nicht gierig ist auf Geschäfte mit den sowjetischen Banken in Europa, sondern wartet, bis die kämen, und sei es Vokshod in Zürich, die Moskau Narodni in London oder die Banque Commerciale pour l’Europe du Nord in Paris? Die Politik des Unternehmens ist in dieser Richtung als nicht aggressiv zu bezeichnen; wiederhole: nicht aggressiv.
    Aber doch in der tschechoslowakischen. Mr. Weiszand sitzt immer noch so bequem angelehnt wie vorhin, blickt gütig, kindlich, hat das ganze Gesicht voll gutem Willen, Entgegenkommen, Herzlichkeit. Er hat von Mrs. Cresspahls tschechischem Unterricht bei Kreslil gehört, ganz harmlos durch unsere Mrs. Ferwalter, nichts als Anteilnahme treibt ihn, das Verlangen nach der Wahrheit, unter Freunden ein Recht.
    Das wird eine private Reise nach Prag in diesem Sommer; sonst nichts, Mr. Weiszand.
    Mr. Weiszand findet es sehr gründlich, für bloß Ferien eine ganze Sprache zu lernen. Noch immer nicht ist ihm Zudringlichkeit nachzuweisen; nur daß seine Augen etwas aufmerksamer geworden sind, nahezu siegesgewiß.
    Wenn Sie in Ihr eigenes Land nicht mehr dürfen, und müssen Freunde in einem fremden treffen, und wollen drei Wochen lang begreifen, was um Sie vorgeht - was würden Sie tun, Mr. Weiszand?
    Mr. Weiszand würde eine beliebige Sprache lernen, wenn er damit einen Freund aus Polen holen kann. Dennoch ist er erschrocken, einen Augenblick nicht auf der Hut. Der fürsorgliche Blick ist ihm abgerutscht, wie einem ertappten Lügner, so daß er eine Weile braucht, ehe er ansetzen kann zu tiefatmenden Nickbewegungen und dem Ausdruck seiner Bewunderung. Findet er wunderbar.
    Das ist nicht ausgesprochen worden.
    Mr. Weiszand will alles verstanden haben, wünschte sich nicht weniger als einen Händedruck, verirrt sich in seiner Verlegenheit in

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