Jahrestage 2
Vereinigten Staaten, Ulysses Grant, der jämmerlich dahinstarb über der Beschreibung seiner Siege im Bürgerkrieg. Es war ihr recht, daß dieser Straße die Zähne des Reichtums allmählich ausfielen, anders als den Wohlstandsburgen von Central Park West und der West End Avenue, wo die Mieter obendrein geschützt waren mit Baldachinen vor den Portalen und durch livrierte Türsteher, die nach Taxis pfeifen. Sie wollte den Regen aushalten, sie brauchte für wenig Reisen ein Taxi, und sie wollte gar nicht vergessen, daß ein Gehalt für Büroarbeit am Riverside Drive nur ausreichte, weil das Gesetz noch manche Mieten vor dem Markt verschonte. Wenn sie hier bleiben konnte, wollte sie sich verhalten als Gast, in Ruhe gelassen wenigstens zu Hause.
Es dauerte nicht lange, da kamen die Herren Cooper und Rider und nötigten ihr auf, daß sie ihr zufälliges Unterkommen in einem auch buchenswerten Gebäude gefunden hatte. Schien es nicht passend?
Um das lederfarben gelbe Haus am Riverside Drive oberhalb der 96. Straße verläuft tief unten, um das dritte von zwölf Stockwerken, ein Fries aus immer noch weißem Sandstein mit Schlangen und Tiergestein. So wenig genau hatte sie hingesehen, sie hielt es bis in den späten Sommer für Ägyptisches, und hatte ihre Fenster unter und sogar in diesem Fries, und sah oft genug zu ihnen hinauf, ob sie denn noch da wären, und nicht einmal eingeschlagen. Jetzt hatte das Land sie auch eingeholt mit dem Haus, in dem sie wohnte.
Denn das Haus heißt nicht nur nach seiner Nummer, 243, es hat den Namen Cliff Apartment House, nach Arizonas Felsenbewohnern, und die Berglöwen, die Klapperschlangen, die Büffelschädel sind gemeint als ein Andenken an die Vorfahren des Pueblostammes, an das Volk der Indianer, denen ihr Land weggenommen war, ein Denkmal wie für Tote.
Anfangs schien ihr der doppelte Zufall passend. Marie verbrachte schon Vormittage in der Rockefellerkirche, genannt Riverside, und so war sie an Märchen gekommen, die Marie nicht nur in die Sprache des Landes einführten, auch in eine Zeit seiner Geschichte, die sie damals den Schulen nicht zutraute. Das waren Erzählungen, in denen die Indianer alle Abkömmlinge waren von einem älteren Mann, untersetzt, mit schwarzsträhnigem, in der Mitte gescheiteltem Haar, die Stirn mit narbenähnlichen Kerben überzogen, die Nase scharf, der Mund lebhaft hervortretend inmitten des prallen Gesichtsfleisches, im Ausdruck zu Freundwilligkeit bereit, die Augen in den geräumigen Höhlen von Erinnerung trübe; so war ein Indianer vom Stamme der Pueblo abgebildet gewesen im Konversationslexikon der Familie Papenbrock, auf einer Bildtafel links unten. Die Cliff Dwellers, die rothäutigen Felsenbewohner beteten die Sonne an; so bekam Marie einen Widerhaken mit für das Fach Religion. Sie züchteten Vieh und wußten ihre Felder zu bewässern; an ein Leben von solcher Arbeit hatte Marie noch nicht gedacht. Das größte Verdienst der Cliff Dwellers in Maries Augen waren ihre Wohnungen. Sie lebten hoch oben in Höhlen, die mit säuberlichem Mauerwerk in die Steilhänge der Cañons eingeführt waren, schwer zugänglich für die ausländischen Eroberer, oder sie bauten befestigte Dörfer aus hoch aufragenden casas grandes, Steintürmen, die unten weder mit Fenstern noch mit Türen offen waren und zu erreichen nur über Leitern, wie wiederum Stiegen innerhalb der zahlreichen Stockwerke die für die Familien abgeteilten Räume verbanden. Die Leitern fand Marie wieder in dem rostigen Feuerstufengestrüpp an der Südseite unseres Hauses, und ihr war willkommen, daß die Säle für Ratsversammlungen und rituelle Tänze der Indianer bei uns fehlten, da sie dort mit mehr Fremden hätte umgehen müssen, als sie damals noch sich zugemutet hätte. Damals war ihr unzweifelhaft, wo die Indianer gelebt hatten: auf der anderen Seite des Flusses, wo die Sonne noch heller ist
als das düstere Rot, in dem sie uns gegenüber untergeht.
So hast du das Kind aufhetzen wollen gegen das Land, in dem sie leben sollte.
Es war doch nicht einmal gegen die Sprache anzukommen.
Es fing harmlos an. Marie brachte aus der Schule mit, daß den Felsenbewohnern ihr Name nicht belassen worden war, sondern daß er jetzt galt für die Bewohner von Mietkasernen in diesem Lande. So war nicht einmal unser Haus ein Denkmal für sie geblieben.
Dann sagte sie wohl bei einer ernsthaften Versicherung: Honest Injun! was einen ehrlichen Indianer bedeuten sollte und auch Zweifel, ob ein Indianer
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