Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
New York und die Gesammelten Besten Stücke am Broadway 1931. 1931 hat er geheiratet, 1942 ging er in den japanischen Krieg, 1943 verzog Naomis Mutter an einen unbekannten Ort in Neu Mexico. Sammlungen: Pfeifen, Muscheln; jeweils kurz vor der Ansehnlichkeit aufgegeben. Von Laubgrün verhangene Zimmer.
Heute und zwei Tage: gemeinsame Mahlzeiten, Spaziergänge, bis zum Großreinemachen am Sonntagmorgen. Auf der verdrahteten Terrasse, einem Bootsdeck auf Stelzen, wird gut der Regen zu betrachten sein, wenn es regnet. Am Sonnabend in der Nacht werden wir die Präsidentschaftskandidaten im T. V. diskutieren sehen, das Arbeitspferd McCarthy gegen das nervöse Fohlen Kennedy. Vielleicht werden wir sie vergessen. Nachts vor dem Einschlafen wird geredet, mit halber Aufrichtigkeit. Am Nachmittag melden sich zwei junge Herren, Bekannte von Naomi, vielleicht von unserer Mrs. Williams, beide mit dem Namen Henry versehen. Sie trinken sehr mäßig, reden über Aussichten auf Arbeit in New York; jeder vierte Satz geht an die Fremde, Mrs. Cresspahl. Gewiß ist dies eine Landschaft nach meinem Mögen. Am Abend kehren sie zurück und holen Amanda zu einer Bratenparty in einem fernen Garten; Mr. Williams’ Anruf aus New York verfehlt ihre Abfahrt um Minuten. Wer geht hin und belügt ihn? Wir alle reden anders als in der Bank, die tägliche Vertrautheit ist aufgebrochen in Vorsicht, Scheu, Heimlichkeiten. Amanda war mit einmal furchtsam geworden, wagte sich kaum vor im Gespräch, und ist doch am meisten gewiegt in Redensarten. Naomi und Amanda wissen etwas über Mr. Prince, das sie immer noch besprechen müssen, aber nur untereinander. Es ist, als ob Amanda sich vor den Kindern fürchtete; jedoch müssen in einem Haus mit so vielen hölzernen Zimmern mehr Kinder sein. Eine Zugehfrau wollte saubermachen, wurde weggeschickt, Naomi mag es nicht erklären. Sie mögen den Regen? Mein Vater ist nicht gerade streng, aber er erwartet kein anderes Verhalten. Mußten Sie auch einen Vater erziehen? Leider hab auch ich es versucht, Naomi.
You-see, don’t you? Im Moment bevor die Nacht den Boden erreicht, im Augenblick vor der Angst kommen die Kinder. Sie sind bis eben am Strand gewesen.
Der Strand ist das Ufer einer Bucht, aufgebogen gegen den Sund. Harter Sand. Im bläulichen Licht aufwendige Villen am Wasser. Vor der Badestelle Motorboote verankert, ein winziges Segel nach Nordwesten unterwegs. Schilf, vermoorte Wiesen. Zwanzig Hektar Mischwald, kleine Zufahrtstraßen. Auf der anderen Seite der Landzunge ein Yachthafen. Wenige Boote zu Wasser gelassen. Elegant ausgeklügelte Schwenkkräne, mehrere schwimmende Plattformen. Das Wasser schwärzlich, still. Die Finger leuchten in der Finsternis. Im Auftauchen fühlt ein Gesicht sich nachgezogen an, wie in eine frühere Form zurückgeglitten. Auf dem Mittelsteg ist ein Teppich unter offenem Himmel ausgelegt, daneben eine Dusche; hier kann man leben am Wasser. Endlich kam uns ein Spaziergänger entgegen, er kennt die Nachbarn nicht, die um solche Zeit noch schwimmen. Er bleibt bei den Fremden stehen, grüßt sie herzlich, beginnt ein Gespräch über Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Und eine erholsame Nacht, wohltätige Ferien wünscht er uns. Als ob wir nach Hause gekommen wären.
31. Mai, 1968 Freitag
Ferien auf dem Lande. Landregen.
Ein westdeutscher Ausflug vor vier Jahren. Wir waren vom hamburger Flughafen unterwegs nach Norden, in Grömitz stand ein Bus im Wege. Marie war neugierig auf die holsteinische Schweiz, sei es mit den Erklärungen holsteinischer Schweizer. Wir waren Touristen, wie Touristen nahmen wir eine Rundfahrt mit.
Der Bus war dicht besetzt mit vornehmlich Frauen und Kindern, wir wurden verpackt in jene Sitze, die vor den hinteren Eingang geklappt werden. Nun wäre Marie gern wieder ausgestiegen, da eine Flucht vereitelt war. Eine Dame, still und vornehm frisiert, trat ihr kräftig auf den Fuß, begnügte sich nicht mit den Zehen, ruhte ihr Gewicht auf dem Rist Maries aus. Das Kind konnte nicht umhin, sie lange und aufmerksam zu betrachten. Die Dame war die Nachbarin, sie zog vier Reihen Fahrgäste um uns herein in jammernde Vorwürfe gegen ein Kind, das sich nicht für einen Fußtritt bedankte, immer diese Ausländer, wenn so ein Kind doch bloß ebenfalls ein Hüftleiden bekomme. Marie kroch so schnell über den Schoß der Mutter auf den Fenstersitz, es sah aus wie Springen. Aber die Tür ließ sich nicht öffnen, der Bus fuhr, wir waren gefangen in der Feindseligkeit,
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