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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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der Aufsicht eines ingenieurwissenschaftlich diplomierten Hochschullehrers von den sowjetischen Raketentruppen im Range eines Obersten, also auf die behutsamste Weise. Beweis dafür ist die Katalogisierung der Geräte: nach dem schriftlichen Eintrag wurde jede Maschine dreimal fotografiert, nämlich im Stillstand, dann im Zustand der Funktion und der Bedienung durch ihren Facharbeiter, schließlich von der Rückseite, abermals mit zugehörigem Arbeiter, der von den Fußspitzen bis zum Scheitel ins Bild kommen mußte. Hierbei ist noch daran zu erinnern, daß die Tischler der Stadt ihre sämtlichen Vorräte zu Kisten nach Maß verarbeiteten und angehalten waren, zwei Tage lang Holzwolle nicht als Abfall, sondern als Hauptprodukt zu produzieren. Der Betrieb Arado in Gneez war Anfang August völlig entmachtet. Von bürgerlichen Interessenten wird dagegen ins Spiel gebracht, daß die verbliebenen Arbeiter damals das Werk nicht aufgaben und aus Abfallstücken primitive Werkzeuge herstellten und die Bevölkerung ab September versorgten mit Harken, Spaten, Ofenrohren, Kochtöpfen, Bratpfannen, Blechkämmen, Linealen, oder zumindest Reparaturen an solchen Gegenständen vornahmen. Darauf ist in aller Schärfe zu erwidern, daß die Herkunft des verwendeten Materials in sehr vielen Fällen von der Volkspolizei nicht geklärt werden konnte (Aluminiumbleche für Kaninchenställe!), daß der Betrieb, in einer Landstadt gelegen, alle denkbaren Schmiedearbeiten ausführte, nur nicht solche an Pferden, daß der in ungesetzlicher Willkür gewählte Betriebsleiter, Herr Dr. Bruchmüller von der C. D. U., nicht von dem Verdacht befreit ist, in den Arado-Werken befindliche Werkzeuge und Handelsartikel vor der zweiten Demontage im November vorigen Jahres verschleppt zu haben, daß, wir kommen zum vierten und fünften Punkt, … ein großer Teil der Fertigungen auf private Bestellungen zurückzuführen ist und der von der Sowjetischen Militär-Administration organisierte Geldumlauf von den Angehörigen des früheren Werkes Gneez-Brücke durch Verträge über Entlohnung in Naturalwerten sabotiert wurde. Schon insofern könnte die Verlegung der ehemaligen Werksangehörigen als eine gerechte Strafe bezeichnet und das Zusammenlassen der Familie als Milde empfunden werden. Da hiervon keine Rede sein kann, und erst recht nicht von einer Mißachtung der faschistischen Kapitulationsbedingungen, ist das in der Bevölkerung umlaufende Wort »Ossawakim« als feindselige, von den westlichen Besatzungszonen her eingeschleuste Propaganda zu bekämpfen. Demjenigen, der die Auflösung dieser sowjetischen Parole als »Sonderverwaltung zur Durchführung von Verlagerungen« hat nach draußen dringen lassen, gehört der Kopf abgerissen. (Wer jetzt noch ausquatscht, daß es in Wirklichkeit ganz anders heißt, nämlich Ossoaviachim,
    Förderung
    der Verteidigung,
    des Flugwesens
    und der Chemie
    der U. d. S. S. R.,
    dem gehört noch mehr abgerissen als der Kopf.) Weiteren Anfragen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes ist einheitlich zu antworten, daß mit sämtlichen abgereisten Familien fünfjährige Arbeitsverträge abgeschlossen wurden und nunmehr die Gewerkschaft der Sowjetunion ihre Interessen wahrnimmt. Auf Wunsch können Kopien der Arbeitsverträge nachgereicht werden. Der kleine Kreis dieser Besprechung erlaubt es, die taktische Umsicht der Sowjetunion und der Roten Armee einer freundschaftlichen Würdigung zu unterziehen. Hätten die Freunde eine solche lebensnotwendige Aktion während der Vorbereitung der Landtagswahlen vorgenommen, so wäre in der sowjetischen Besatzungszone ein Ergebnis zustandegekommen wie in den berliner Auszählungen, wo die S. P. D. unter dem Schutz der amerikanischen und britischen Bajonette immer noch das Maul aufreißen kann und von ganzen hundertzwanzig Mandaten 63 Stück bekommen hat, wir hingegen nur 26 Sitze erringen konnten. Nunmehr wird auch dem Genossen Schumann ein Licht leuchten, wieso ihm während der letzten Wochen der Arsch mit Grundeis ging. Ja, wenn! Die Rote Armee hat diese Bürger eben nicht während des Wahlkampfes in die Sowjetunion eingeladen, auch nicht einen Tag vor der Wahl. Sondern einen Tag nach der Wahl. Der Genosse Landrat weiß so überzeugend zu reden von Dankespflicht an die Sowjetunion, aber wenn sie ihm vor den Augen hängt, erkennt er sie nicht. Schließlich, da der Aufruf zur Wahl die Sicherung des Friedens und die Freundschaft mit der Sowjetunion über alles gestellt hat, ist es

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