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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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ein Fakt, daß auch die ehemaligen Angehörigen des Werkes Gneez-Brücke ihre Stimmen abgegeben haben und wählten, was sie wählten.
     
    2.
    Die Volkszählung vom Oktober 1946 bekam einen Knick. Von Ossawakim wurden nicht nur Personen in Stadt und Landkreis Gneez betroffen, auch in anderen mecklenburgischen Betrieben von rüstungsstrategischer Bedeutung, weiterhin in den anderen Provinzen der sowjetischen Zone, so bei Carl Zeiss und den Glaswerken in Jena, bei den Siebel-Flugzeugwerken in Halle, bei Henschel in Staßfurt, beim A. E. G.-Werk Oberspree und Askania Friedrichshafen in Berlin, etc. Die Zählung sollte erfassen, wer in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober zu Hause war, desgleichen, welchen Beruf er dabei für sich angab. So ging dem Unternehmen eine Wanderungsbewegung verloren, die mit statistischen Mitteln nicht aufzufangen ist. Zudem legt das Ergebnis nahe, es hätten sich auf dem sowjetischen Besatzungsgebiet aus natürlichen Gründen weniger Fachleute für hitzebeständiges Glas oder elektrische Meßanlagen ( GEMA Köpenick) befunden als in den Zonen der westlichen Alliierten. Hier müssen andere Wissenschaften als die soziologischen bemüht werden. In Stadt und Landkreis Gneez hatte Ossawakim unter der friedliebenden Bevölkerung die Überzeugung verbreitet, daß die Sowjetunion nach immerhin einem Jahr die Entmilitarisierung ihrer Deutschen für abgeschlossen halte und die Berufszählung weiterhin beweise, daß das sowjetische Interesse an Kriegsspezialisten kein leerer Wahn sei. Nach dem örtlichen Gerücht waren einem jeden neuwertige Bekleidung, festes Schuhwerk und regelmäßige Ernährung sicher, der sich der Roten Armee als Söldner im Krieg gegen Japan zur Verfügung stelle. Hier ließen die Erwartungen an die Zukunft sich zusammenfassen in den Fragesatz, der seinerseits ein doppeltes Ergebnis darstellt: Wenn’ck man bloß wüßt, wo’ck mi meldn kann!
     
    3.
    Der Landrat von Gneez wurde anderthalb Tage lang in einer Gefängniszelle unter dem Rathaus von Gneez gehalten. Ursache war ein Streit, der anfing um eine Pistole, die Kollegen des Dreifachen J ihm in Jerichow abgenommen hatten. Im weiteren Verlauf bat der Genosse Schumann unverhofft, ihm selbst nicht erklärlich, um die Adresse von Slata. (Nur um ihr zu schreiben.) J. J. Jenudkidse galt als ein ruhiger Kommandant, ohne Neigung zu gehässigen oder gar unüberlegten Einfällen. Er ließ den jungen Mann an eine solche Adresse befördern. Sechzehn Jahre später, im Frühling 1962, wird der junge Mann von damals einer Frau zu beschreiben versuchen, daß dies der Abschluß seiner Erziehung war, die endgültige Abkehr von privaten Wünschen, das vollständige Aufgehen in der Partei. Es wird nicht eine Frau sein, mit der er verheiratet ist, dennoch wird er weder Slatas Namen noch ihren Verbleib erwähnen. Verheiratet ist er. Es wird ein Abend im schweriner Burggarten sein, nach einem Serenadenkonzert. Er wird nicht mehr so heißen. Sein Nachname wird bis auf zwei Buchstaben dem seines Vaters gleichen, vorn aber wird er genau so gerufen werden, wie seine Mutter das wollte. Zwei Tage nach der Landtagswahl 1946, sieben Tage vor dem Ausgang der Volkszählung, wird er nach Schwerin berufen. Dort wartet der Name auf ihn. Personalabteilung auf der Ebene der Landesverwaltung, Abteilung Sicherheit auf der des zentralen Ministeriums. Nach Gneez kam er nie wieder. Ich habe ihn nie wieder gesehen.
     
    – Ich aber, wenn ich mitkäme nach Prag, ich würde ihn sehen: sagt Marie. Sie würde ihn sehen. Ich werde ihn erkennen.
     
    Den ganzen Tag schon haben wir gewartet auf den schwarzen Regen, der endlich über dem Hudson hängt. Mittags war die Luft ganz dick von Feuchtigkeit. Ganz trockene Menschen bekamen eine zweite Haut aus Schweiß, sobald sie aus den gekühlten Häusern traten. Das war nicht mehr im Kopf auszurechnen: 89 Grad Fahrenheit minus 32 mal fünf durch neun wäre irgend etwas in Celsius gewesen. Die oberen Gebäudekanten flimmerten. Nach zehn Blocks verschwamm die Lexington Avenue; es war eine Frage, ob sie nach zwanzig Blocks schon davongeschmolzen war. Jetzt, neun Uhr abends, ist der Regen aus dem Norden angekommen, mitten darin zwei kurze Blitzschläge, die stechen in die Augen, schließen etwas kurz im Gehirn.
    – Der Regen von New York würde mir fehlen: sagt Marie. (Kinder nehmen Regen mit auf die Reise.)
    26. Juni, 1968 Mittwoch
    Die tschechoslowakische Nationalversammlung hat mit allen Stimmen beschlossen, daß Leute ins Recht

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