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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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gewesen.
    – Hätte er dich geheiratet?
    – Nach zwei Jahren wäre mir eine Abfindung sicher gewesen. Der fährt immer noch täglich von München nach Hamburg oder zurück. Wenns ihm gut gehn soll, ziehen sie ihn mal durchs Ruhrgebiet statt immer rein nach Frankfurt und raus aus Frankfurt. Noch von Wunstorf aus können sie ihn ankoppeln an den D nach Regensburg. Hat mir übrigens vergeben.
    – Darf ich mal fragen nach Taormina?
    – Mit dem bin ich mal gern gereist; da war eine Unterhaltung zu haben bei Tische. Auch tat er, als wolle er begreifen, daß ich tu, wonach mir ist, statt meinen Hormonen oder Drüsen zu gehorchen. Reichlich viel bildet der sich ein auf Übernachtung in Taormina, in getrennten Zimmern.
    – Und dann kam der auf den du die ganze Zeit gewartet hast.
    – Dann kam Jakob.
    – Da warst du – dreiundzwanzig.
    – Und ein halbes Jahr. Da du von schön ansetzenden Busen redest, sollte ich dich ein wenig warnen. Es gilt heutzutage als ein wenig lächerlich, daß eine Frau so lange sich Zeit nimmt. Es wär dir gewiß unrecht, daß die Leute lachen über deine Mutter.
    – Gnädige Frau, ich bitte Sie. Alle meine Gespräche mit Ihnen unterliegen einer unbedingten Vertraulichkeit! Und wollen Sie sich ganz wie zu Hause fühlen; obwohl ich mich zurückziehe. Sie dürfen die Variationen für den Schüler Goldberg spielen so lange Sie wünschen, und das Quodlibet zweimal.
     
    Noch nie Zeitung gelesen um Mitternacht. In Ostdeutschland hören die Presse und die Sender urplötzlich auf, die Tschechoslowakei mit ihrem Dreck zu bewerfen. Zwar unterschlagen sie, daß der Sachwalter ausgebuht wurde in Bratislava, auch angeregt: Damoi! ab nach Hause! Von Amtes wegen heißt es: »Vorüberkommende Passanten winkten und riefen ihm wieder und wieder nette Grüße zu.«
    Gestern abend ist das Radar in Islip auf Long Island ausgefallen, das die Flugrouten rund um New York bewacht. Mehr als hundert Minuten lang hingen Flugzeuge über J. F. K. in der Luft, Landung verwehrt.
    Wir fliegen auch bald. Doch Zeitung gelesen nach Mitternacht, oft! Aber auf Ortszeit Europa. Wenn wir nach Hause gekommen waren.
     
    – What kind of a caller are you? Cant’t you dial the time number first?
    – Entschuldige, Gesine. Ich bin es nur. Anita.
    – Das ist recht.
    – Ich hab mich verrechnet um eine Stunde. Bist du –
    – Ich bin wie es heißt O. K.; auf deutsch wär das anders. Im Augenblick ist gerade das Schlimmste, daß D. E. von Jakob doch wußte. Daß ich einzig mit dem hab leben wollen, und ihn noch bei mir habe. Die Herren möchten doch gern die einzigen sein, und womöglich die ersten.
    – Vielleicht war er kein dummer Herr. Für was deine Anita ist, ein guter Mensch.
    – Ja. Aber daß er gewußt hat –
    – Er war ganz einverstanden mit den sechs Jahren in deiner Nähe. Wiege das einmal mit.
    – Anita, eine Weile brauch ich das noch. Daß du mir zuredest.
    – Ty snajesh.
    8. August, 1968 Donnerstag
    Eine Todesnachricht überbringen.
    Auf D. E.s Strecke nach New Jersey fahren schon die angedrohten Busse: das Unterdeck ist in seiner Gänze höher als der Fahrersitz; Rauchen verboten. Die Fensterscheiben so tief bläulich getönt, die Gegend kaum sichtbar. Dafür Erinnerungen. – Oh, you can’t buy memories! hat einmal Esther ausgerufen. And you can’t get rid of them, either.
    Der Bus kommt aus dem Tunnel südlich von Hoboken. Da nahm vor Jahren D. E. das Kind und mich mit in ein Apfelsaftgeschäft am Hafen, da aßen die Männer Muscheln, aus Steingutschüsseln, und die Schalen warfen sie in das Sägespanmehl auf dem Boden. Marie betrachtete ihn ernst, ihren gastgeberischen Freund. Denn damals war sie noch ein Kind, das nahm zwar von einer fremden Dame im Bus ein Bonbon an, reichte ihr nach Verzehr das Bewickelpapier zurück; to keep our city clean. Wie hat sie sich gefreut, als er den Ruck aus dem Handgelenk vormachte, mit dem sie ihre Schalen gegens Paneel knallen durfte! – Zack! sagte D. E. Spaß hat er wohl gehabt mit uns.
    Südlich Newark. Nach Newark lud er uns mit einer Ortsbeschreibung: Newark besteht an einem Sonntagnachmittag aus einer Kirche, die von anständigen Bürgern mit gefaßter Miene verlassen wird. Es wäre auch eine Statue auf der Rückseite des Bahnhofs zu nennen, die weiß und schmalzig das Andenken der ersten Bürgerin der Vereinigten Staaten verewigt, die jemals und bisher heilig gesprochen wurde: Frances Xavier Cabrini. Die Hauptstraße heißt Broadstreet, ist mit vierhundert

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